Sonntag, 15. November 2020

Heiß wie Neostahl: Blizzard spendiert seinem Meisterwerk grandiose Kurzgeschichten!

 


Starcraft II feiert 2020 sein 10-jähriges Jubliäum. Sein Vorgänger, Starcraft, ist ein Meilenstein in der Geschichte der Echtzeitstrategiespiele, aber auch des Storytellings innerhalb eines Computerspiels und vor allem der spannenden, nie langweilig werdenden Multiplayerschlachten. Zum 10. Geburtstag spendiert Blizzard  ein paar Shortstories. Und die haben es in sich! 


Wer billige Ramschliteratur erwartet, wird enttäuscht. Die Stories von unterschiedlichen Autoren - 18 -50 PDF- Seiten lang - , werfen ganz unterschiedliche Lichter auf die menschliche Seele und das Starcraft-Universum. Und obwohl sie alle so unterschiedlich sind, haben sie doch alle eines gemeinsam und  zwar das, was große Literatur ausmacht: Liebe und Tod. Sie handeln von Menschen, die sich irren, von ihren Träumen, Wünschen, Ängsten, ihrem Drang nach Freiheit, ihrer Neugierde. Ich möchte mich nicht in Superlativen verlieren, aber Blizzard ist es gelungen, einen Rundumschlag abzuliefern und in bisher jeder der Stories, die ich gelesen habe, greifbare Figuren zu gestalten, die eine Identifikationsfläche groß wie ein Fussballfeld bieten und jeden Leser, selbst wenn er sich wehrt, in ein Universum - ja, es klingt so blöd, aber es ist so - in das Universum der Starcraftwelt zu ziehen. Und natürlich haben die Autoren ihre Hausaufgaben gemacht! Keine Geschichte gleicht der anderen, jede fesselt, jede wirkt, wie wenn ein Autor tief mit der Schöpfkelle in den Kessel der "Wie-schreibe-ich-eine-gute-Geschichte"- Suppe getaucht hat und zeigt, wie lecker man mit bekannten Mitteln, Tricks, Topoi, Archetypen und Motiven eine neue Geschichte kredenzen kann. (Achtung, jetzt kommt Germanisten-Tech-Talk)

Gemeint sind Techniken wie eine  Rahmen- und Binnenhandlung zu erschaffen (z.B. "Das Antlitz des Krieges"), verschiedene Zeitebenen miteinander zu durchmischen (z.B. "Tödliche Säure"), innere und äußere Handlung gleichermaßen zu berücksichtigen, Dialoge, Innere Monologe, unerwartete Gedankeneinbrüche, Bordcomputergebrabel und alles andere, was Kommunizieren kann, einzuarbeiten, die große Geschichte einer skrupellosen Diktatur mit kleinen Einzelschicksalen zu verweben (z.B. "Die Dompteurin" oder "In der Dunkelheit" oder "Der Auftrag"), Elemente der klassischen Tragödie mit der Form der Kurzgeschichte zu kreuzen (Offener Anfang, in medias res, Enthüllungsdramaturgie, hamartia und vermeintliche peripetie, Höhepunkte, Wendungen, Katastrophen und offene Happy Ends), personale und auktoriale Erzählebenen zu verknüpfen und und und.... (Ende des Germanisten Tech-Talks)

Dabei wirkt das eben nicht "billig" wie in einem Groschenroman - zumindest habe ich lange Zeit keinen mehr gelesen. Ich vermute, jeder Leser wird die Geschichten - egal wie er tickt mindestens mit der Phrase "Die haben ihre Hausaufgaben eben gut gemacht" bewerten. Das Spektrum kann aber auch gut und gerne bishin zu verzückten Ausschweifungen und Anbetungen dieser kleinen, kunst-mühe- und liebevoll gewobenen Kleinode führen. 

Wie auch immer - ich lese diese Geschichten sehr gebannt! Sie sind fesselnd erzählt und Dranbleiben lohnt sich. Selbst wenn die ersten 10 Seiten manchmal seltsam anmuten - mir ging es so bei "Der Auftrag" - am Ende hat mich keine der Kurzgeschichten unbefriedigt zurückgelassen! 

Neugierig? Hier gehts zum Download der kostenlosen Shortstories

Außerdem kann ich "Neulingen" die opulente, fantastische, epische Story der Einzelkampagnen auch nur wärmstens empfehlen. "Herr der Ringe" - "Game of Thrones"- die Story der Blizzard Schmiede braucht hier keinen Vergleich zu scheuen. Die erste der insgesamt drei Kampagnen gibts auch kostenlos zu spielen (hier durchklicken).

Wer sich tiefer hineingraben möchte findet hier englischsprachiges Fan-Wiki-Wissen.