(UND DER)
NIETZSCHE
(- COMIC)
Unlängst las ich den Nietzsche Comic von Onfray / Le Roy. Im Deutschen ist er beim Knaus-Verlag erschienen.
Nietzsche als moderner Held
ER ist fesselnd,
berührend.
Wer ist fesselnd und
berührend? Ja, inzwischen, nun eine Woche nach der Lektüre, hat die Frage und ihre Beantwortung ein erstaunliches Eigenleben entwickelt. Eigentlich dachte ich, es sei Onfrays und Le Roys Comic. Aber inzwischen denke ich, es ist Nietzsche, der mir durch den Comic viel näher gebracht wurde. Nietzsche. Dieser Held der Moderne. Der Held
der Moderne?
Ein paar der ersten Bilder aus dem Nietzsche Comic |
Spricht
man heute von Helden denkt man zuerst an Superman, Wolverine, den roten Blitz und an
alle andern Auswürfe des Marvel oder DC Superheldenuniversums. Wenn man
etwas weiter denkt kommen dann vielleicht Gedanken an die Feuerwehrmänner in
Fukushima, Katastrophenhelfer an sich, die Ärzte und Krankenpfleger
aus Ägypten, die nach Lybien fuhren, um dort ihre revoltierenden
Gesinnungsgenossen zu unterstützen. Aber an Nietzsche denken? Diesen
verkorksten, griesgrämigen Migränegrübler, der sich nicht außer Haus traute? Dieser Wuchtklotz mit dem
wullstig-wuchernden Schnauzbart aus der Jahrhundertwende? Verblüffend, aber ja, genau dieser.
Nietzsche
formulierte seine Gedanken und lebte sie aus. Er verweigerte die
passive Konsumhaltung und erforschte mit allem Leidensdruck, der
dazugehört, die Möglichkeiten der menschlichen Existenz.
Was
macht Nietzsche zum modernen Helden, vielleicht sogar zu dem Helden
der Moderne?
Die
Helden im literarischen Diskurs sind oftmals Leidende. Genial, aber
von Leid begleitet. Genauer betrachtet ist die Genialität sogar, so scheint es, eine
Bedingung für ihr großes Leid – je größer das Genie, desto
größer die Bürde, die daran gekoppelt ist.
Vielleicht
beruht Nietzsches Talent, seine Genialität in seine Weitsicht. Er graste
alle Themengebiete der menschlichen Existenz in einmaliger, radikaler
und gleichzeitig poetischer Art und Weise ab. Zwischenmenschliche Beziehungen (Der Wille zur Macht), unsere Wahrnehmung (z.B. "Zur Genealogie der Lüge"), Kunst und Kunstverständnis ("Die Geburt der Tragödie aus dem Geist der Musik" / Seine Wagnerkritiken), den Glauben. Immer weiter in die Finsternis getrieben, riss er jede Fassade
ein, um zu sehen, was dahinter steckt, woraus es besteht und wie es sich anfühlt, bis, so hat
es den Eindruck, die Materie und alles, was er anfasste, selbst vor seinem Geist zerbröselte und sein Schädel zerbrach. Und dann eben noch dieses Meer an Mitgefühl, das ihm zum Verhängnis wurde.
Seine Hassliebe zu den Menschen und die Verantwortung, die er ihnen gegenüber empfindet, ihnen die Wahrheit entgegenzuschreien. Heldenhaft also in jedem Fall das tragische Ende seines Lebens.
Seine Hassliebe zu den Menschen und die Verantwortung, die er ihnen gegenüber empfindet, ihnen die Wahrheit entgegenzuschreien. Heldenhaft also in jedem Fall das tragische Ende seines Lebens.
Nietzsches Philosophie - Kurzabriss
Nietzsche
schrieb über die Genealogie der Moral( den Ursprung der Moral). Seiner
Philosophie haftet etwas krass Elitäres an. So "von Gipfel zu Gipfel,
und auf einmal ist da keiner mehr". Oder „mir nach, ich geh da voran
mit der Fackel in die Dunkelheit!“ Er hatte zeitlebens schwere
Kopfschmerzen, nahm etliche Medikamente dagegen, war eventuell
homoerotisch, auch wenn er sich in Lou-André Salome verliebt hatte,
hatte eine Dozentenstelle in Basel, bevorzugte es aber anstatt sein
Leben ruhig als Dozent zu fristen, lieber Nacht für Nacht zu
arbeiten, ohne Ende, bis er Kopfschmerzen bekam, um dann wieder
weiterzuarbeiten. Er meinte, der Mensch brauche Lüge, um die
schlechte, dem Willen zur Macht unterworfene und in Lügen gefangenen
Welt zu ertragen. Oder einen harten Panzer, einen unerschütterlichen
Trieb zur Wahrheit und die aktive Bejahung des Lebens. Er meinte: das
Leben sei ein Krieg jeder gegen jeden, in Aufnahme von Schopenhauers
Denken. Ein Kampf verursacht durch den Willen zur Macht.
Abgesehen
davon war er es, der Gott für tot erklärte sowie den Gedanken der
ewigen Wiederkunft entwarf. Auch der Übermensch geht auf ihn zurück.
Sowie das apollinische und das dionysische Prinzip. Im späten Alter verfiel er in einen Zustand dämmriger Umnachtung.
Der Comic
Zuerst: Der Comic sei jedem Fan großer Kunst wärmstens ans Herz gelegt. Er ist fesselnd und berührend. Still und ausdrucksstark. Er
zeichnet Nietzsches Leben in wichtigen Etappen nach. Man erkennt
Konturen seines Denkens und seines Lebens gleichzeitig. Was man aber
nicht verliert, ist der Blick auf den Menschen Nietzsche. Nietzsche,
nur ein Mensch. Eine gequälte protestantische Seele, die früh am
Verlust des Vaters leidet. Denn wie man Kafka als "Ewigen Sohn" denken muss, so muss man auch bei Nietzsche den früh vaterlosen im harten Protestantismus aufgewachsenen Knaben mitdenken, der irgendwie mit einer Art Schuldgefühl auf die Welt kommt und dieses treibt ihn vielleicht sein Leben lang voran. Und das ist mitberücksichtigt worden.
Die Perspektive des Comics ist zuschauend, kennenlernend, zurückhaltend, beobachtend und beschreibend gleichzeitig. Hier eine Leseprobe.
Zum einen als Jungen ohne
Vater und zum andern als scharfsinnigen Denker,
Schreiber und Formulierer. Denn sein Werk wächst auf
dem Boden einer von Anfang an mit Unglück gestraften, empfindsamen
und verletzten Seele. „Man darf ihn nicht ernstnehmen“, soll
Thomas Mann einmal über seinen Lieblingsphilosophen neben Schopenhauer
gesagt haben. Darf man das nicht? Nietzsche nicht ernst nehmen, heißt die Philosophie nicht ernst nehmen heißt eine (höhere) Verantwortung des Menschen füreinander, untereinander und auch gegenüber der Natur nicht ernst nehmen. Das Resultat davon sehen wir in jeder einzelnen Sendung der Tagesschau.
"Nur, wo Leben ist, da ist auch Wille: aber nicht Wille zum Leben, sondern – so lehre ich's dich – Wille zur Macht!"
AntwortenLöschenFriedrich Nietzsche: Also sprach Zarathustra.
Mit dem Willen zur Macht ist keinesfalls das Beherrschenwollen anderer Menschen gemeint, sondern das Beherrschenwollen der Dinge. Hier liegt der zentrale Denkfehler derer, die die Philosophie Nietzsches nicht verstehen, weil sie entweder das eigene Beherrschtwerden für eine "Tugend" halten, oder selbst nichts anderes im Sinn haben, als andere zu beherrschen. Gerade dieses Beherrschen und Beherrschtwerden, die Fremdbestimmung, muss überwunden werden, damit der darum noch machtlose Mensch zum "von Göttern und Anbetungen erlösten Übermenschen" wird, der über die wahre Macht, die Beherrschung der Dinge, verfügt:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/09/von-den-drei-verwandlungen.html
Schon bevor die Lösung der uralten Sozialen Frage – und damit zugleich die Überwindung aller Zivilisationsprobleme, die sich überhaupt thematisieren lassen – erstmals im Jahr 1906 wissenschaftlich exakt beschrieben war, hatte sich der Philosoph Friedrich Nietzsche überlegt: Wenn die "Prediger des Todes" sich einen Jesus erfinden konnten, der er mit Sicherheit nicht war, kann ich einen Propheten erfinden, der das Leben erklärt:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2013/10/glaube-aberglaube-unglaube.html
Nietzsches Zarathustra ist der Prophet Jesus von Nazareth, der er wirklich war: der erste Denker in der bekannten Geschichte, der die ideale Makroökonomie als Voraussetzung für die klassenlose Zivilgesellschaft erkannt hatte, 19 Jahrhunderte vor dem Genie Silvio Gesell (1862 – 1930). Dieser konnte noch nicht wissen, dass die Natürliche Wirtschaftsordnung, auf der anfänglich die Soziale Marktwirtschaft der Bundesrepublik Deutschland nach dem 2. Weltkrieg basieren sollte,...
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2012/08/personliche-freiheit-und-sozialordnung.html
...der tatsächliche "Himmel auf Erden" ist, denn die Heiligen Schriften von Nag Hammadi, die das zweifelsfrei beweisen, wurden erst 1945 entdeckt. Aus den vier biblischen Evangelien, die von Anfang an nur für den Moralverkauf erdichtet wurden, ist das nicht mehr zu erkennen. Die von den "Predigern des Todes" aufrecht erhaltene Programmierung des kollektiv Unbewussten mit dem künstlichen Archetyp Jahwe (der "liebe Gott" für die Dummen) verhindert bis heute den eigentlichen Beginn der menschlichen Zivilisation:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2013/11/macht-oder-konkurrenz.html
"Der Anteil des Unbewussten an unseren Handlungen ist ungeheuer und der Anteil der Vernunft sehr klein."
Gustave Le Bon (Psychologie der Massen)
Ist beim "Normalbürger" der Anteil der vernünftigen Handlungen "sehr klein", so ist er beim "Geistlichen" gleich Null – was wiederum bewirkt, dass beim "Normalbürger", der den Geisteskranken für einen "Geistlichen" hält, der Anteil der Vernunft nicht wächst:
http://opium-des-volkes.blogspot.de/2013/11/der-wille-zur-macht.html
Vielen Dank für diese erleuchtende Klarstellung! Sie kennen sich besser mit Nietzsche aus als ich. Spannend ist das, dass Sie meinen, Nietzsche hätte sich seinen Propheten erfunden, der die Gegenwart schonungslos beleuchtet. Wirklich! Vielen Dank!
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