Der Präsident und Wurm |
Was kann man dazu sagen?
Das Unheil nimmt seinen Lauf: Louise im Moment, als Wurm ihr das Verfassen des Briefs an Kalb abverlangt |
Dem gegenübergestellt ist der Traum einer ständelosen Gesellschaft - "wenn Menschen nur noch Menschen sind, dann werde ich reich sein", in der Miller "vor Gott kniet und nicht vor Schelmen". Und in dieses Bürgertum - zu dem rein faktisch Ferdinand auch gehört - wird eine Liebe versenkt, eine romantische, allumfassende und wuchtige Sturm-und-Drang- Liebe: "Wilde Wünsche werden in meinem Herz rasen".
Miller und seine Tochter: er bringt sie vom Selbstmord ab; Die Verklärung ihrer Figur hat bereits begonnen (weißes Kleid und Kreuz) |
Ferdinand verzweifelt. Louise spricht nicht aufgrund des Eids, an den sie sich hält |
Schiller kleidet all das in gehobene Sprache, wuchtige Sprache, die trotzdem verständlich bleibt, und verletzende Ehrlichkeit der vertrauten Figuren untereinander. Mich hat es aufgewühlt, ich hatte Mitgefühl und bange Hoffnung, dass alles sich doch irgendwie zum Guten wendet. Allein Ferdinand wird irgendwann wirklich Opfer seiner Gefühle - aber nachvollziehen kann ich ihn.
Die Inszenierung am MFT war wirklich gut. Die Schauspieler überzeugten und - bei aller Kritik, die Brecht ja schon äußerte, dass die revolutionäre Sprengkraft des Stücks zur bourgeoisen Abendunterhaltung umgemodelt wurde - es war wahnsinnig imposant und beeindruckend so einen Klassiker beinahe ungekürzt auf die Bühne gebracht zu sehen. (Was für ein Mut, solch ein Stück 1784 herauszubringen!)
Musikalisch unterlegt mit einem Cello, eine sehr eigene aber gelungene Interpretation des Marshall Kalb mit pinken Schnallenschuhen aus Gummistiefel-Material, Barockkostüme, eine gute Ausleuchtung und ein langer Holzsteg bis über den Orchestergraben - gefühlt fast weit in das Publikum hinein, all das hat Stimmung erzeugt!
In eigener Sache: Ferdinand - als er sich verraten vorkommt. Mit ehrlichen, großen Gefühlen...er hat mir aus der Seele gesprochen):
Es ist nicht möglich! nicht möglich! Diese himmlische Hülle versteckt kein so teuflisches Herz – – Und doch! doch! (...) Ein unerhörter, ungeheurer Betrug, wie die Menschheit noch keinen erlebte! (...)
Mich so ganz zu ergründen! – Jedes kühne Gefühl, jede leise schüchterne Bebung zu erwiedern, jede feurige Wallung – An der feinsten Unbeschreiblichkeit eines schwebenden Lauts meine Seele zu fassen – Mich zu berechnen in einer Thräne – Auf jeden gähen Gipfel der Leidenschaft mich zu begleiten, mir zu begegnen vor jedem schwindelnden Absturz – Gott! Gott! und alles Das nichts als Grimasse? – Grimasse? O, wenn die Lüge eine so haltbare Farbe hat, wie ging es zu, daß sich kein Teufel noch in das Himmelreich hineinlog?
Da ich ihr die Gefahr unsrer Liebe entdeckte, mit welch überzeugender Täuschung erblaßte die Falsche da! Mit welch siegender Würde schlug sie den frechen Hohn (...) zu Boden (...).
Sie weiß, was sie aus mir gemacht hat. Sie hat meine ganze Seele gesehen. Mein Herz trat beim Erröthen des ersten Kusses sichtbar in meine Augen – und sie empfand nichts? empfand vielleicht nur den Triumph ihrer Kunst? – Da mein glücklicher Wahnsinn den ganzen Himmel in ihr zu umspannen wähnte, meine wildesten Wünsche schwiegen – vor meinem Gemüth stand kein Gedanke, als die Ewigkeit und das Mädchen – Gott! da empfand sie nichts? fühlte nichts, als ihren Anschlag gelungen? nichts, als ihre Reize geschmeichelt? (...)Nichts! als daß ich betrogen sei?
(Akt 4, Szene 2)
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