Wobei das nicht ganz richtig ist: neben dem Pinsel schwang Picasso auch das Skalpell, Kratzeisen und den Lehmspachtel und neben Picasso schwangen Salvator Dali und Joan Miro neben unzähligen Altmeistern ebenfalls das Borstenschwert. Dennoch, einen Einblick in verschiedene Schaffensphasen und die Entwicklung von Stil und Technik des Gestalters der Friedenstaube erhält man im Picasso Museum in Barcelona.
Das Museum ermöglicht einen chronologischen Spaziergang durch Picassos künstlerisches Dasein.
Picassos Vaters selbst war Kunstlehrer an einer kleinen Schule in Malaga, der Heimat des Künstlers. Da dieser den naturalistischen, akademischen Stil vertrat, wundert es nicht, dass die erste Schaffensphase des jungen Picassos auch unter dem Schirm der kunstakademischen Grundausbildung stand. Der Fokus der Ausbildung lag vielmehr auf Techniken und dem "handwerklichen" Teil des Künstlerdaseins. Picasso lernte hier noch, Abbilder zu schaffen, anstatt Eindrücke mit der dazugehörigen Portion Originalgenie auszudrücken, wie er es später tun würde. So sieht man als Resultate dieser Schaffensphase einige klassizistische Körperstudien oder klassische Landschaftsmalerein, wie z.B. "The Wave" (1895) oder "The port of Barcelona" (1895). Der junge Picasso würde seinen Pinselstrich erst befreien müssen, um zu einem eigenen Stil zu finden. Anklänge davon scheint man in den Bildern bisweilen durchscheinen zu sehen. Als Höhepunkt und Abschluss dieser Schaffensperiode gilt das Großgemälde "Sciene and charity" im naturalistischen Stil. In Form einer Milieustudie sieht man eine kranke oder sterbende Frau in ihrem Bett in der Stube liegen. Ein Mann hält ihre Hand in der einen Hand, in der anderen eine Uhr, auf die er Blick. Er misst vermutlich den Puls der Frau. Außerdem ist eine Nonne auf dem Bild, die ihr etwas zu Trinken anbietet und ein Kind scheinbar mühelos auf dem Arm hält.
"Science and Charity", 1897: Typisches Motivgeflecht des sozialen Naturalismus: Armut, Alter, menschliches Leiden, Wohlfahrt, religiöser Sentimentalismus |
Portrait of Juan Vital: sich abzeichnende Loslösung vom akademischen Stil |
"Seated woman with shawl", 1899/1900 |
"The frugal repast" |
Somit findet man in den folgenden Zimmern des Museums auch die Auseinandersetzung mit dem von Verzierungen und Hintergrund nur so strotzenden Jugendstils Gustav Klimts ("The Dwarf" / "Waiting")
"The Dwarf" |
"Waiting" |
Die Ausstellung macht dann einen rapiden Sprung. Nach der jahresweisen Entwicklung sind dann die Jahre zwischen 1906 und 1917 ausgelassen.
In der Zwischenzeit muss aber viel passiert sein. Auffällig ist, dass sich Picasso immer mehr von der Ölfarbe trennte und mehr in Richtung Ätzung und Littographie arbeitete. Die Farben werden zum Teil weniger - dafür treten Schwarzweißgemälde und Radierungen in den Vordergrund. Außerdem scheint Picasso nun vollständig einen eigenen Stil entwickelt zu haben. Neben den "Onelinern" und "Metarmorphosen" vom naturalistischen Abbildstil hin zur eigenen verzerrenden, defigurativen Darstellung (-> Kubismus) von Gegenständen, Tieren und Personen fällt auch auf, dass Picasso seine Bilder mit Inhalten überfrachtet. So findet man bei dem Werk "Female Bullfighter, Horse and Dying Bull" zuerst und auch später nur einen Kreaturenklumpen. Was möchte Picasso damit zeigen? Die Nähe von Leben, Tod und Erotik und deren Verflochtenheit ineinander? Das Organisch-Wurzelnde und Wuchernde des vitalistischen Lebens, wie Nietzsche es darstellte?
Vitalklumpen:"Female Bullfighter, Horse and dying Bull" |
Es folgen dann viele Werke, die Picasso-typisch sind: Verfremdungen konkreter Figuren auf kubistische Art und Weise mit dem Fokus auf die "Las Meninas" Serie und die Nebenwerke dieser Phase ("The Pigeons"). Wer oder was bedeutet der Mann in der Türe im Hintergrund des Bildes? Ach ja, eine Abwandlung des berühmten Gemäldes von Velasquez? -
Die späten Werke, die schließlich ausgestellt sind, sind dann sehr redundant und lassen sich zunächst einfach mit dem Wort "Altersgeilheit" oder "anthropologische Achsenspiegelung" beschreiben: Kein Bild ohne Vulva mit ein paar Schamhaaren daran. Alles dreht sich um Prostituierte, Erregung, Voyeurismus, Wildheit. Das ewig Weibliche zieht uns hinan.
Nett war es noch zu sehen, dass Picasso auch Vasen und Teller getöpfert und gestaltet hat. Schön fand ich z.B. einen Fischteller mit Grätenablage, oder "die Eule" - eine Karaffe in Eulenform und mit Eulenbemalung. Auch dass er einen Hund hatte, der Lump hieß, fand ich witzig. Er malte ihn auf einen Teller und zeigte ihn dem Hund. Ich mag das Foto!
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