Sonntag, 3. November 2024

DER MEISTER UND MARGARITA im Theater am Neunerplatz

 Ein Freund hat mich mitgenommen auf die Premiere eines Stücks im Würzburger Theater am Neunerplatz. Wenig vorbereitet kam ich der Einladung nach. Ich wusste, dass es um den Teufel geht, der in Moskau einen Ball veranstalten mochte. Mehr aber nicht.  Umso erstaunlicher ist dann das Stück nach einer Romanvorlage von Michail Bulgakov für mich gewesen. Jetzt wo ich auch darum weiß, dass das Stück als Meisterwerk der russischen Literatur des 20. Jahrhunderts gehandelt wird, wundert mich das nicht mehr. Ein exzellente Inszenierung eines kleinen Laientheaters! 

Die Handlung 

Ein Schriftsteller ("Meister") arbeitet im sozialistischen Russland an einem Roman, in dem er sich mit Pontius Pilatus beschäftigt. Er vollendet das Werk, doch die Zensur und der Verleger verderben dem "Meister"  die Früchte seiner harten Arbeit. Dies stürzt Meister in eine Depression und um seine Liebste vor sich selbst zu schützen, lässt er sich selbst in eine Psychiatrie einweisen. Gleichzeitig kommt der Teufel als Professor Wolan in die Stadt. Er sorgt mit seinem Gefolge für Chaos und trifft dabei auch auf die Liebste des Meisters, Margarita. Dieser ermöglicht er es wieder mit dem Meister zusammenzukommen. 

Eine zweite Handlungsebene beschäftigt sich mit dem Roman des Meisters. Darin wird die Verurteilung Jesus anders dargestellt als im Evangelium. Jesus durchschaut die Einsamkeit und Angst, die eigentlich hinter dem rohen Auftreten des Statthalters dessen Herz gefangenhalten und sein Leben regieren, was Pontius durchaus dazu bewegt, Jesus straffrei zu lassen. Doch aufgrund des Tatbestands der Majestätsbeleidigung, die Jesus ebenfalls vorgeworfen wird, "muss" Pontius Pilatus diesen verurteilen. Muss er wirklich? Dies ist der entscheidende Moment des Stücks und das exzellente und exemplarische: Nein, aus Feigheit, wie er sich später selbst vorwirft, verurteilt Pilatus und verbannt damit das Gute von der Erde. Dennoch spricht er sich auch vor dem hohen Priester, weil Paschafest ist und ein Verurteilter begnadigt werden darf, für Jesus aus. Doch er kann sich nicht durchsetzen und der Gefangene Baraban wird begnadigt. Dies belastet Pilatus enorm und er lebt ein ruheloses Leben. 

Die Handlungen vermischen sich. Margerite geht einen Pakt mit dem Teufel ein und kommt dadurch wieder mit ihrem Meister zusammen. Und da Pilatus in der Hölle gelandet ist und der Meister auch im Infernalen umherziehen kann, kann dieser Pilatus dort von seinen Qualen erlösen. 


Die Inszenierung

Es hat nicht viel gebraucht und doch wurde massig daraus geschaffen. Tolle Kostüme mit Farbsymbolik für die Archaische Zeit und das junge Russland sowie für die Gestalten aus der Hölle, brillantes Schauspiel, in dem die Schauspieler sich wirklich viel abverlangen (stimmlich! Mimik! Gestik!), eine kleine Bühne, die durch einen Kastenwagen enorm viele unterschiedliche Settings darstellen konnte (Quasi Minidrehbühne), Musik von einem kleinen Streicherensemble kombiniert mit Projektionen und elektronisch produzierter Musik - all das verschmolz zu einem enorm engagierten meisterhaften Theaterabend, der die Messlatte für "Laientheater" in Würzburg enorm hochhebt und sich wirklich in keiner Weise auch nicht vor "großen" Inszenierungen verstecken muss. Alle Achtung, Chapeau und Gratulation! 


https://neunerplatz.de/produktion/der-meister-und-margarita/

Samstag, 14. September 2024

Ein bäuerliches Trauerspiel: "Das Flüstern der Felder" aka "The Peasants" (2023)

Inhalt: 

Das Szenario ist ein Dorf irgendwo im Nirgendwo in Polen mit klaren Hierarchien und Vorstellungen, wie das Leben zu sein hat: Christlich, verheiratet und hart arbeitend. Irgendwo in der Ferne ein Gutsherr und im Dorf der Schulze, der für Recht und Ordnung sorgen oder vermitteln soll. 

Als Figuren treten der freie Großbauer Boryna auf, der vor kurzem seine Frau verloren hat. Mit dieser hat er zwei Söhne, von denen der ältere, Antek, verheiratet ist und selbst ein Kind hat. Auf der anderen Seite befindet sich die junge, bildhübsche und unverheiratete Jagna, die noch bei der Mutter lebt (Wo ist der Vater? ) und die anderen Dorfbewohnerinnen und Bewohner, so wie der Schmied, der Müller und andere Knechte, Mägde und ein Geistlicher.

Nun will die Mechanik des Dorfs, dass jedermann und jede Frau verheiratet werden. Schlimm genug. Dazu kommt aber auch noch, dass die Heiratspolitik auch Machtpolitik ist, denn über Mitgift und Erbe entscheidet sich, wer welche Position im Dorf hat. (SPOILER ALARM) Das Unglück nimmt dadurch seinen Lauf, dass Boryna sich überreden lässt, Jagna zu heiraten, obwohl diese viel jünger ist. Und Jagnas Mutter stimmt dem Handel geblendet vom Besitz, den sie und Jagna dadurch bekommen (3ha Land) zu. 


Dabei hat die junge Jagna eigentlich nur Augen für Borynas Sohn Antek und dieser wiederum findet Jagna auch nicht schlecht, obwohl er verheiratet ist und Kinder hat. Ach ja, und der Besitz und das Erbe von Boryna - das ist natürlich auch hoch begehrt. (RICHTIGER SPOILER ALARM) Und so kommt, was kommen muss: Der Sohn hasst den Vater, der Vater verstößt daraufhin den Sohn samt Familie, die Frau wirft dem Ehemann vor, dass er nicht für sie sorgt, Jagna ist unglücklich und betrügt ihren Mann mit Antek. Zusätzliche Bewegung in diese eh schon total überhitzte und aufgeheizte Situation bringt der Gutsherr, der auf einmal die Holzrechte an einem vom Dorf gemeinschaftlich genutzten Wald, für sich selbst beansprucht. Der gemeinsame Feind bringt Vater und Sohn wieder näher doch das missgönnende Dorf sucht ein Opfer und beschließt Jagna zu vertreiben.

Kommentar: 

Nach einer Exposition, in der die unterschiedlichen Figuren und ihre Position im Dorfkosmos beleuchtet wird, entspinnt sich ein klassisches Drama mit Vater-Sohn-Konflikt und dem Grundproblemen, dass die Hölle die anderen sind, wie Sartre gesagt hätte (durch ihre Missgunst und ihren "Allzumenschlichen" Drang nach Macht, Geltung und Ansehen) und dass Liebesheiraten eben doch das bessere Modell sind. Wenn überhaupt geheiratet werden muss.  

Jagna laviert irgendwo zwischen Unschuldsengel, Barbiepuppe, die nicht mehr kann als Scherenschnitte herzustellen, und Trophäe in einer Männerwelt zu sein. Boryna ist ein alter Haudegen, hart aber irgendwo auch gerecht, dem Leistung am Ende doch wichtiger ist als Schönheit und Ehe (sonst hätte er sein Geld nicht Maria gegeben) und der das Herz doch am rechten Fleck hat, nur eben diesen einen grossen Fehler begeht (hamartia) sich zur Hochzeit mit der viel jüngeren Boryna verleiten zu lassen. Antek dagegen hat sich nicht wirklich unter Kontrolle. Wild und unbändig, aufbrausend, stolz und blind wütet er durch die Handlung. 

Der Film ist komplex, weil sich die Figurenverhältnisse wandeln. Antek und das Dorf begehren oder verachten Jagna. Boryna verstößt die Familie seines Sohns, um sich ihr dann doch wieder anzunähern. Antek hasst seinen Vater, um ihn dann doch zu retten und zu lieben. Der Schulze sucht seinen Vorteil (und wird von Anfang an als "ekliger", schmatzender Machtmensch dargestellt.) Und auch Jagna lässt mit sich geschehen, gibt sich ihrem "Schicksal" hin, um dann doch wieder aufzubegehren. Leicht haben sie es alle nicht...

Das Besondere

Das Besondere an dem Film nun aber ist seine Machart. Reales Schauspiel wurde mit realen Ölgemälden und AI ergänzt. Das heisst, ein großer Anteil des Films - die Postproduktion - beinhaltete das Nachmalen oder Übermalen und Ergänzen der Szenen aus dem Film, so dass das Endresultat ein einziges ineinanderfließendes Ölgemälde zu sein scheint, voller atemberaubender Details und Portraits aber genauso voller atemberaubender idyllischer oder beängstigender Landschaften. Viele zeitgenössische reale Ölgemälde dienten dabei auch als Vorlage und Inspirationsquelle, um den Zeitgeist in der Zeit vor der Bauernbefreiung einzufangen. Damit entsteht ein vor allem visuell beeindruckendes, wildes und leidenschaftliches, berauschendes Erlebnis, wenn man den Film betrachtet. Auch die Musik, die an Yann Thiessen erinnert, ist mitreissend und schön. 

Wie viel Arbeit in dem Film steckt merkt man erst, wenn man sich weiter damit beschäftigt. Über den Instagram-Channel zu "thepeasantmovie" bekommt man hier erst eine Ahnung davon, wie unglaublich viel Arbeit in der Postproduktion steckt! Die Gemälde können auch für 250-10.000€ erworben werden.

Fazit

Definitiv ein Spektakel, eine Reise in eine vergangen grausame Zeit und eine Studie der Folgen einer verkrusteten Gesellschaftsordnung und die dunklen Seiten des Menschen mit einem Hauch Dirty Dancing ;)  Hinzu kommt der massive visuelle Wert der Produktion. Ziemlich üppig! Sehenswert aber kein "musthaveseen" und auf den Spuren von "Waking Live" "Dogville" und Yann Tiersen.

Mehr Infos z.B. unter: https://thepeasantsmovie.com/keyframes,47,en

Hier noch einige Screenshots vom Instaprofil. 









Mittwoch, 17. April 2024

Bees made honey in the vein tree_Immerhin, April 2024

Nein, wir machen da nicht mit. Nein, wir sind langsam. Nein, wir sind lauter. Nein, wir sind schneller. Nein, wir singen keine schönen Strophen. Doch, wir spielen auch schön wie ein Sonnenaufgang. Aber nicht lange. Wir probieren es einfach aus. 

Ich war auf einem Konzert der Band „Bees made honey from the vein tree“ aus Stuttgart im wundervollen Immerhin in Würzburg.  Die sind zu viert, zwei Egitarren, ein Bass, ein Schlagzeuger, zwei von ihnen singen. Aber was die machen ist echt schwer adäquat zu beschreiben, ohne dass man gleich einen Essay drüber schreiben müsste oder wollte. Denn genau das würde ich gerne. Ich würde dieses Phänomen irgendwie gut beschreiben, ich fand buchstäblich phänomenal. Andere fanden es zu krass. "Ich bin nach dem zweiten Song gegangen. Zu harter Tobak für mich". Andere: "Was war das?" Mir ging es genauso. Was war das? 

Im Grunde ist die Band noch am ehesten eine Rockband. Genauer: Doom Metal. Also schwer, langsam, verzerrt und mächtig. Aber dann haben sie so viele Spielereien und Feinheiten - was die Band für mich einzigartig macht. Und das würd ich alles voll gern aufdröseln und beschreiben. Einfach um zu dokumentieren, was es für tolle Phänomene in dieser Welt gibt!

Am ehesten hat mich die Band an das Schiff „die Moloch“ aus Käpt’n Blaubärs Seemannsgarn erinnert. Schwer geht sie im Triebe, total riesig, total finster, total verstörend aber irgendwie auch total faszinierend. Man will wegrennen und muss hingucken. So ging es mir während des Konzerts.und gleichzeitig war eben nicht alles so finster und dunkel. Manche Lieder oder Akkorde klangen auch wie Sonnenaufgang im Wald oder Sonnenaufgang am Strand…

Fazit: Einfach irre, was Menschen miteinander machen können! Mehr Performance als Konzert. 

Wer rockt so spät durch Nacht und Wind? Es ist der Stoner mit seinem Bass. 

Wenn das näher interessiert, kann sich ja mal per Live-Video anschauen (auf Video klicken)


Dienstag, 5. März 2024

 DUNE 2

Viel Sand und Tod um die perfiden und skrupellose Machtrauschselbstverwirklichung einer außergewöhnlichen Mutter in opulentesten, ästhetischen Panorama Bildern und langsamen Pace. 

 Ich würde gerne Musik machen, die 

wie Mondschein ist, 

wie Schweigen 

wie Regentropfen 

wie ein Blick in den Himmel durch die Krone eines Baumes 

wie eine Blüte im sanften Frühlingswind 

wie Kornähren 

wie barfuß sein und Gras am Morgen 

wie ein Bettlaken 

wie Klaviertasten 

wie Hundeaugen 

wie Wasser, das sanft einen Stein umfließt, 

wie ein Tropfen, der von mir hinunterfällt 

wie eine Brise im Gesicht 

und das Gebirge des Hardangavidda am Horizont 

wie die Röhren einer Orgel 

und das Holz einer Harfe 

 

 

tied2you 

 Sturm und hafen 125  

Kinder haben, Kinder kriegen 

nichts mehr fragen, sich verlieben 

augen treffen, augenblicke 

es zu sagen, (ich liebe dich) tausend blicke 

 

deine Augen schenken glauben 

ich öffne mich, erkenn' die trauben 

will sie haben, will sie schlürfen 

nichts mehr fragen, alles dürfen 

 

wieder zügeln, mit dir bleiben 

Atemzüge, Luft kriegen, Zukunft schmieden, hier verweilen  (ich will bleiben) 

tausend Meilen, 

schritt für schritt 

ich lauf hier

 und du läufst mit. 

ich will dein herz nicht tragen 

ich will es neben meinem schlagen hören, 

in sanfter, stiller kraft 

 

alles gönnen, alles können 

unbezwingbar, rückenwind 

kaum zu glauben, glückeskind (ich) 

atomare sonnenstrahlen, 

die auf meinen Wangen malen 

Flüstern, Blätter, Wind und Wolken 

du dabei und nur noch folgen 

nur nach vorne, 

nur nach vorne, nie nach hinten, denn gemeinsam sind wir stark (2x) 

pflücken Trauben für die Nächte und Blumen für den Tag 

was auch immer am nächsten Tag kommen mag. 

 

Es mag kommen was will 

wir beide bleiben still (4x) 

wir beide.