Dienstag, 9. August 2022

Film: Warten auf Bojangles (2022): A bitter sweet symphony


 Inhalt: 

Ein phantasiereicher Hochstapler mit dem Namen Georges trifft im Frankreich der späten 60ger auf die realitätsmüde Eskapistin Camille und verliebt sich auf den ersten Blick in sie. Er entscheidet sich dafür sie zur Frau seines Lebens zu machen und trotz ihrer Skepsis und ausgesprochenen Warnungen eines gönnerhaften besten Freundes ("Halunke") bezüglich des schweren Gemüts der Dame, heiratet er sie und versucht es ihr in allen Belangen recht zu machen, bis dass der Tod sie scheide. 

So ziehen die beiden zusammen und zeugen gemeinsam einen Sohn. Sie leben realitätsfern in ihrer eigenen Blase. Trübsinn und Probleme werden mit espritvoller Poesie weggeschoben und weggelogen. Dabei hat George eigentlich noch Anbindung an die Realität: Er arbeitet in einer Autowerkstatt und übernimmt diese auch und führt sie ordentlich, wenn auch ungerne. Doch er geht jeden Schritt mit, den Camille von ihm fordert. Er bringt jedes Opfer, dass ihre Liebe fordert. 

+ SPOILER +

Das Drama lässt dann auch nicht lange auf sich warten. Camille möchte, das Georges aufhört zu arbeiten, um immer bei ihr zu sein. Georges verkauft also die Werkstatt. Kurz danach steht ein "Scherge" des Steuersystems vor der Türe mit der Botschaft, dass die Realität auch ihren Anteil möchte und das Fehler beim Verkauf der Werkstatt gemacht worden seien. 

Camille Gemüt - zunächst manisch depressiv mit mehr Manie als Depression, wird zunehmend fordernder. Sie sieht die Forderungen der "Philister" als Zumutung, verprügelt den Hiobsboten unter wütend, hysterischem Geschrei mit dem Regenschirm, geht nackt auf die Straße und zündet zuletzt alle ungeöffneten Briefe an, was zu einem kleinen Brand mit Feuerwehreinsatz führt. 

Die Lösung - die Einweisung in die Psychiatrie - erweist sich als Farce. Denn Heilung gibt es dort nicht für Camille, nur Unterdrückung und haarsträubende, foltergleiche Methoden, wie eine Zwangseisbadewanne und Sedierung. (Das ist nicht leicht anzuschauen!). 

Georges und sein Sohn bemerken das und entführen/ befreien Camille. Durch den "Halunken"kommen sie in Spanien in einem Schloss an der Küste von Valencia unter. Doch Camilles Wahnsinn steigert sich in eine Schizophrenie. Sie beschuldigt das Familientier, einen Kranich, sie böswillig und herablassend angeschaut zu haben. Sie erkennt Georges nicht mehr und schlägt ihn. Zuletzt begeht sie Selbstmord durch Tabletten. Georges ist tief erschüttert und lässt seinen Sohn im Schloss mit dem Halunken zurück. Warum? Das ist offen. Ich glaube, um seine Trauer zu überwinden. 

Fazit: Ein sehr aufwirbelnder und mitreissender Film über die bedingungslose Liebe zu einer schillernden Frau bis in den Tod. 


Aufbau: 

hamartia: Die Krankheit Chamilles, ihre Untauglichkeit für den Alltag.

erregendes Moment: Die Entscheidung, Camille zu heiraten und sie bedingungslos so wie sie ist zu lieben und zu unterstützen. 

Wirkung:

euphorisierend und beschwingt, aber er erregt auch "malalaise", wie es in Frankreich hieß: Beklommenheit und Sorge und die Idylle kippt irgendwann. Georges schafft es nicht mehr. 

Beeindruckend: Wie konsequent Georges das umsetzt. Wie er ihr in allen Situationen zur Seite steht, wie die drei ihren Regeln konsequent folgen und sich immer wieder an ihren Lügengeschichten aus der Tristesse und den Katastrophen herausziehen. Solange es klappt... 

Fazit: 

Ein verstörender Drama-Film, der zugleich sehr märchenhaft ist (der Prinz, der die Prinzessin rette, sie ziehen in ein Schloss usw...), bunt und wundervoll phantasiereich - aber genauso alptraumhafte Sequenzen hat und zuletzt eben doch in der Katastrophe endet.