Mittwoch, 20. Juni 2018

The Handmaid's Tale - gescheiterter Gottesstaat!


Was ist denn hier los?

Frauen in strengen, engen, hochgeschlossenen Kostümen aus der Zeit des ausgehenden 19. Jahrhunderts? Daneben Männer mit brandneuen Maschinengewehren aus der Jetztzeit, Frauen mit Elektroschockern und eine total verwurbelte Welt?

Die Macher von "The Handmaid's Tale" verlangen dem Zuschauer ein starkes Nervenkostüm ab. Nicht mit Jumpcutschocks werden die eigenen Belastungsgrenzen geprüft, sondern mit einem unterschwelligen Unwohlsein, einem flauen Gefühl im Bauch wird man sich beim Betrachten der Serie wiederfinden. Warum das so ist?
Die Welt, die uns vorgestellt wird, ist absolut krank:
Aufgrund einer mir noch nicht näher bekannten unerhörten Begebenheit (novellistisches Element) sind nur noch einige Frauen in der Lage, Kinder zu gebären. Anstatt dass diese nun aber als Quell allen Lebens gottgleich verehrt und behütet werden, werden diese armen Kreaturen vollkommen unter ihrer Funktion behandelt: Sie werden klein gehalten, niedergedrückt, gebrochen und sind auf der niedrigsten Stufe der Gesellschaft. Mägde eben, wie der Titel der Serie verrät, die Hausdienste erledigen, sich in Unterwürfigkeit üben müssen und Gehorsam zeigen. Jede Kritik an diesem System wird mit den modernsten und gleichzeitig ältesten und effizienten Mitteln der Folter vernichtet. Alle Formen der Gewalt - physische, psychische, strukturelle - lassen sich in der ersten Folge wiederfinden. Gezeigt wird ein fanatistisches System, das deswegen bei aller Funktionalität nicht funktioniert, weil die Primärtugenden, die Menschlichkeit, gegenseitiger Respekt, Hilfsbereitschaft und vor allem die Würde des Menschen nicht eingehalten werden. Anstelle gegenseitiger Hilfe und Symbiosen findet man so eine kalte, herzlose, verachtenswerte Maschinerie, in der alle gefangen sind.  Meinungsfreiheit existiert nicht, wer den Mund aufmacht wird mundtot gemacht.

Erschreckend ist das und gleichzeitig eine gute Warnung, was es zu verteidigen gilt.
Die Würde des Menschen ist unantastbar.
Durchaus einer Analyse wert wären die erlebte Welt insbesondere die Kostümierungen, die Figuren und die psychologischen Effekte (Andorra Effekt, Milgram Experiment, Gruppenbildung durch Rituale...)

Montag, 18. Juni 2018

Tête à Tête Rastatt 2018 - Simplement Geniale!

Das Städle Rastatt am Rhein öffnet nun schon seit längerem Tür und Tor für Künstler aus aller Welt, die mit Theater, Akrobatik, Magie und Performance die Sehgewohnheiten der normalen Bürger aus den Fugen hieven. Immer wieder einen Besuch wert!
Besonders gut gefallen hat mir dieses Jahr der Zirkus Morsa mit dem Stück "La Fin de Demain", Close Acts Kostümperformance mit "Saurus", der Walking Act "Distracted"um Shiva Grings und die spanische Tanzperformance "Mulier" von Cia Maduxia.

Der Zirkus Morsa lieferte ein charmantes, romantisches abwechslungs- und höhepunktsreiches Körperakrobatik- Duett mit einem Holzbrett, einer Holzhohlrolle, Stöckchen und viel viel Körperspannung, Körperbeherrschung, Geschlechterkampf und Liebe. Tangofeeling!

Saurus, das waren drei dreimeterhohe gigantische Riesendinosauriermorphe, die begleitet von furchteinflößenden Digeridooklängen und monströsen Schreien durch die Menschen liefen und allzu freche Zuschauer mit einem gekonnten peitschenartigen Schlag mit dem Kopf - milimetergenau bis vor den Kopf des übermütigen Zuschauers in die Flucht schlugen. Hunde bellten wie gestört, so bizar und angsteinflößend war dieser Walking Act.

In Mulier tanzten 7 Spanierinnen in strengen Kostümen und auf Stelzen gegen Ordnungsprinzipien und Unterdrückung. Vorgegebene mechanische Bewegungen und Formationen werden durchbrochen, Ausdrucksfreiheit gefunden, verteidigt, wieder in Frage gestellt. Sehr tiefgehend und wichtig in der Bedeutung!

Mein Highlight war Distracted: 3 in weiß gekleidete Schauspieler treiben allerlei Schabernack und Groteske mit dem Smartphonephänomen. Was auch immer dabei in ihren Weg kommt wird integriert und bespielt. Grandios!

Auch sehr interessant war der "Healer" Charlie O'Taney aus New York mit seinem Healing Taxi!
Wer die Gelegenheit hat, dieses Festival zu besuchen, sollte sie ergreifen!


Montag, 11. Juni 2018

Atomic Blond - viel vorgenommen aber wenig erreicht

Man nehme die Zeit des Kalten Krieges, erfinde eine kühle, sexy Blondinengeheimagentin und lasse sie zusammen mit den Gegner aus dem feindlichen KGB-Lager auf die Jagd nach einem brisanten Microfilm mit der Auflistung aller aktiven Agenten austragen. Tut man das, so kommt man zum Basisplot des Agentenactionfilms "Atomic Blond", der auf einem Comic basiert.
Garniert wird der Film mit herausragenden Actionszenen, die durch lange oneshot-Kamerafahrten, raffinierte Perspektiven, erfrischende Prügelchoreographien und einer großen Brise Ultrahärte Biss entwickelt. Ungewöhnlich ist dabei natürlich in gewissem Maße, dass eine Frau es ist, die ebenso austeilt, wie auch - und das darf verraten werden  -  nicht zu knapp einstecken muss.
Und dennoch hat mich der Film nicht vollkommen überzeugt: Weder die lakonische Coolness der Comicvorlage hat es in den Film geschafft wie bei 300 oder Sincity. Noch gelingt es ihm an den harschen Realismus des zeitgenössischen Agentenkinos im Stile eines neuen Bondstreifens mit Daniel Craig anzuknüpfen. Dafür fehlt ihm die Glaubwürdigkeit. Insofern erscheint mir der Film wie nichts Halbes und nichts Ganzes, weder Fisch noch Fahrrad.
Ich würde gerne etwas Positiveres schreiben, aber so habe ich den Film in Erinnerung.
Umso mehr darf ich "Columbiana" von Luc Besson empfehlen.