Donnerstag, 29. Dezember 2022

Black Panther - Wakanda forever oder "Warum ist Namora so ein Depp?"

Alte Erzählformeln im neuen Kostüm. Sehr opulenter Remix aus Herkulesaufgabe und "Die Physiker"- Problematik.


Inhalt:
 

Der verborgene Zwergenstaat Wakanda hat etwas, das der Rest der Welt auch gerne hätte: Vibranium, ein Rohstoff, dessen Eigenschaften Dinge ermöglichen, von dem der Rest der zivilisierten Welt nur träumen kann und gierig auch haben möchte. So kommt es zu Diebstahlversuchen und ein menschgemachter Vibraniumdetektor sucht den Meeresgrund nach dem Wunderrohstoff ab - mit Erfolg.... 


SPOILERALARM


Ab jetzt geht die eigentliche Handlung des Films los. Denn ein ganz neues Volk, genauso verborgen und abseits der Menschheit existierend wie die Wakaner, betritt die Bühne. Und dieses zerlegt den Detektor plus die gesamte Crew des Militärforschungsschiffs und macht dabei keine Gefangenen. Der Anführer dieses Volks, Namora, sucht die Königin der Wakaner auf. Er ist der Meinung, dass diese mit den Menschen kollaborieren und fürchtet, die Menschen würden, wenn sie Vibranium in ihre Hände bekommen, sein Volk gefährden.
Die Wurzel allen Übels ist ihm zufolge also der Wissenschaftler, der den Detektor gebaut hat. Der muss verschwinden, damit die Menschen nicht an Vibranium gelangen. Da Namora und sein Volk seine geheime Existanz nicht offenbaren möchte, fordert er die Wakaner auf, für ihn und sein Volk zu arbeiten. Und dabei geht es von Anfang an nicht ohne Druck. Entweder sollen die Wakaner ihnen den menschlichen Wissenschaftler ausliefern, oder er und sein Volk würden Wakanda angreifen und auslöschen. Mit diesem "Angebot" lässt er die Königin und ihre Tochter Shuri zurück.

Diese haben ja eigentlich andere Probleme. Denn der vorherige "Black Panther" und Anführer Wakandas ist vor kurzem Verstorben und der Bruder der jungen Prinzessin. Die Trauer lastet noch schwer auf ihr. Trotzdem machen sich die Prinzessin Shuri und eine hohe Generälin der Wakaner auf in die Menschenwelt, um den Wissenschaftler (*) ausfindig zu machen. Hier treten sie mit einem CIA in Kontakt, der eine Art Vermittlerfunktion zwischen den Völkern hat und den Wakanern treu ergeben ist, da sie ihm sein Leben gerettet haben, vermutlich im ersten Teil. Mit seiner Hilfe finden sie heraus, wer den Detektor gebaut hat. Es handelt sich um eine junge Studentin. Die Prinzessin und die Generalin wollen sie mit nach Wakanda nehmen. Doch zunächst möchte die CIA sie davon abhalten - aus Eigeninteresse, schließlich stellt die Wissenschaftlerin nichts anderes als eine "menschliche" Wunderwaffe für die Amerikaner dar, um zur eigentlichen Wunderwaffe Vibranium zu gelangen, und die wollen sie sich nicht wegnehmen lassen. Die CIA kann die Wakaner und die Wissenschaftlerin, die nach kurzem Zögern kooperiert, aber nicht aufhalten. Sie ist den drei Powerfrauen und deren Knowhow und Technologie einfach unterlegen.

Dann tritt aber die neue Supermacht - die Nation der Talocan auf. Auf einer Brücke stellen sie die Wakaner und die Wissenschaftlerin, die gerne nach Wakana zurückkehren wollen. Sie entführen Shuri und die Wissenschaftlerin, die Generalin überlebt, kehrt nach Wakanda zurück und berichtet von der Entführung. Dies löst Entsetzen bei ihrer Mutter aus. Natürlich möchte sie ihre Tochter wieder zurückbekommen. Dafür sucht sie ihre andere Tochter auf, die anscheinend ein unglaubliches  Talent darin hat, sich unter das Volk der Menschen zu mischen und Informationen zu beschaffen. Ein Superdetektiv. Tatsächlich gelingt es ihr, so weit in die Nähe von Shuri zu gelangen, dass ihre Technik deren Ohrringe orten kann.

In der Zwischenzeit lernt Prinzessin Shuri den König der Talocan, Namora, besser kennen. Sie möchte ihn dazu bewegen, dass die Wissenschaftlerin nicht getötet werden muss, sondern einfach in Wakanda bleibt - also so vor den Menschen verborgen, wie der Staat selbst. Das leuchtet ein (und erinnert an Möbius in Dürrenmatts "Die Physiker") aber nicht dem König der Talocan mit dem Namen Namora. Er traut den Menschen nicht. Lieber wäre es ihm, einen Präventivschlag gegen die Menschen auszuführen mit Shuri und den Wakaner an seiner Seite. Man erfährt, wie sein Volk entstanden ist, was zurückgeht auf das Südamerika zur Zeit der "Konquistadoren". Ein Schamane lässt sie einen Trank aus einer Blume trinken, der zu Mutationen führt und diesen Stamm fortan unter Wasser leben lässt. 
Seine Mutter möchte aber an Land in ihrer alten Heimat begraben werden. Also kehrt Namora mit ihrem Leichnam nach Südamerika zurück. Als er dort sieht, wie ein anderes indigenes Volk vor seinen Augen zur Sklavenarbeit gezwungen und gepeitscht wird, verliert er den Glauben an die Menschheit und tötet alle Menschen vor Ort, bevor er sich mit seinem Volk ins verborgene Unterwasserexil zurückzieht. Er zeigt Shuri die Hauptstadt seines Reichs und diese ist fasziniert davon.

Sie soll dann über das Angebot von Namora nachdenken. Doch geortet von ihrer Schwester gelingt es dieser sie und die Wissenschaftlerin zu befreien. Dabei wird auch eine der Wachen von einer Wakanerin getötet. Zwischenzeitlich lenkt die Königin Namora außerdem ab, indem sie ihn vom Ort, an dem Shuri gefangen ist, weglockt und sich mit ihm unterhält.

Enttäuscht und verraten erklärt Namora seinem Volk den Krieg gegen Wakanda, der kurz darauf durch einen Angriff auf Wakanda ausbricht. Dem Angriff fällt die Königin Wakandas zum Opfer. Namora zieht sich zurück, stellt der Prinzessin Shuri aber erneut ein Ultimatum. Eine Woche. Und dann soll sie entweder mit ihm gegen die Menschen antreten oder sie und ihr Volk soll fallen.

Doch die Woche nutzt Shuri, deren Zorn entbrannt ist - sie möchte ihre Mutter rächen - und sie entwickelt Superrüstungen fertig für die Leibgarde. Außerdem gelingt es ihr zusammen mit der Menschenwissenschaftlerin die DNA der Pflanze, die das Volk der Naomra entstehen ließ, mit irgendeinem für ihr Volk wichtigem Kraut zu kombinieren, so dass auch sie einen Trank generieren kann, der sie zum "Black Panther" macht: Sie bekommt Superkräfte, scheint aber auch von Rache getrieben zu sein. Außerdem hat sie eine Superrüstung und sucht sich eine schicke goldgeschmückte Panthermütze aus. Zuletzt analysiert sie mit der Wissenschaftlerin die Schwachstelle Namoras und sie finden heraus, dass er Wasser braucht (auf der Haut), weil er daraus seine Kraft zieht.

Nach der Woche Zeit kommt es zum erneuten Kampf der Nationen. Diesmal gewinnt Shuri und die Wakaner durch ihre Cleverness und Shuris neue Superkräfte. Doch anstatt Namora zu töten, handelt sie besonnener, lässt sich eines Besseren belehren, unterwirft ihn nur und versucht ihn zur friedlichen kooperativen Koexistenz zu bewegen. Namora willigt ein. Ende gut, alles gut. 

Was dann noch kommt hat nichts mehr mit der Haupthandlung zu tun, diese ist abgeschlossen: Der Feind ist besiegt, der status quo ante wieder hergestellt. Das Ende bietet nur Stoff für neue Handlungsstränge: Shuri schlägt den Thron aus und begibt sich nach Haiiti zu ihrer Schwester. Namora deutet an, dass er seinen Plan, die Menschen zu bekämpfen nicht aufgegeben hat. Die Menschen würden Wakanda schon selbst angreifen und in einen Kampf verwickeln.

* Hier merke ich, dass Genderunsensible Sprache auf jeden Fall eine Wirkung hat. Denn ich ging davon aus, dass ein Mann gesucht wird. Dass "der Wissenschaftler" dann eine Frau ist hat mich aber weder stark irritiert oder verwundert, geschweige denn gestört, da das Prinzip einer gleichberechtigten und von Leistung determinierten Gesellschaft bei mir auf vollstes Verständnis trifft und zu 100% mit meinen Werten übereinstimmt.


Kommentar: 

  • - absolut mehrfachkodiert und dafür voller Identifikationsfiguren. Vor allem der "gutherzige Brüllaffe" fällt mir auf, als Identifikationsfigur. Oder "Alt gegen Jung" (Shuri und ihre Mutter oder Shuri und ihre neuen "Dolche" und ihr Kampfanzug vs. die "alte" Generälin oder auch die "coole" junge, geniale aber ungestüme Wissenschaftlerin). Eine weitere Identifikationsfigur ist der "mittlere Held", der "sympathische" CIA Agent, der nicht den vollen Durchblick hat, scheitert (seine Lügen fliegen auf, er wird durchschaut, seine Ehe ist gescheitert), sprich: der sympathische Looser und seine unsympathische Exfrau, die zufällig seine Chefin ist...Hätte es das gebraucht?
  • - wie ein alter Heldenmythos der Griechen. Vgl. Herkules oder so: Menschähnliche Wesen mit Superkräften treten gegeneinander an und verhalten sich menschlich, machen menschliche Fehler (hybris, Rachsucht, Vergeltung usw...) Herkules im Film ist erst Namora, weil er göttliche Kraft hat und fliegen kann. Erst später wird dann Shuri auch "göttlich". Aber sie ist die eigentliche Heldin. So wie Herkules z.B. den Stall des Augias säubern soll, muss sie die Wissenschaftlerin entführen und sich gegen die Namoraner behaupten
    • Der Gesang der Sirenen wird aufgegriffen - als Taktik der Namoraner
  • - wahnsinnig viel Kreativarbeit! Allein das Volk der Namoraner, als es auf den Krieg eingeschworen wird und ihre Handgeste...
  • sehr viele Rituale (Gesang, Trommeln) und Zeremonien (Aufstellungen, Zeremonien, Zeremoniell, Zeremonienkleidung) -> evozieren Gefühl des starken Zusammenhalts der Völker Wakandas und Namoras
  • - schön, dass Frauen und eine weibliche Care-Ethik den Film dominieren, auch dass die Wissenschaftlerin eine Frau ist
  • - vielleicht schön für people with color, dass der ganze Film sehr viel afrikanische Kultur transportiert, aber in Verbindung mit Hightech und Überlegenheit
  • - spannend: der Mix von Tradition und Fortschritt. Laptop und Lederhose nur anders...mit Congas und Vibraniumraumgleitern oder so. 
  • - die hamartia und der eigentliche Motor des Films: Namora, der nicht akzeptiert, dass die Wissenschaftlerin einfach in Wakanda "verschwindet". Seine eigentlich edlen Motive - sein Volk zu schützen - werden überlagert durch fehlende prudentia (Weisheit/Weitsicht) und clementia (Milde) und seiner hybris gegenüber den Wakandern, denen er sich überlegen fühlt (bis Shuri dann durch den Mord an ihrer Mutter motiviert "initialzündet") führt zu seinem Untergang. Er ermordet die Königin auch nicht direkt. Es sind Wassergranaten, die den Thronsaal lediglich fluten. Die Königin entschließt sich zu sterben, indem sie die Wissenschaftlerin vor dem Ertrinken schützt.
  • Selbstaufopferung der Mutter Shuris für die Wissenschaftlerin (heldenhaft)
  • Einsicht / Nachgeben, Anpassen, Lernen (Shuri) vs. Beharren, verhärten (Namora)
  • das Böse greift an, die gute Heldin muss nach einer Niederlage zu ihrer Stärke finden, das Gute gewinnt und die Heldin hat eine Entwicklung durchgemacht und am Ende noch etwas über sich selbst gelernt. #selfmastering 

Themen: 

afrikanische Kultur / Kultur, Technik / menschliche Zerstörwut und menschliches Kriegstreiben (Wettrennen um vernichtende Waffentechnologien) // Doppelmoral von Staaten: UN und Diplomatie vs. Geheimdienste und Militärlabors. / "Matriarchat"? / Herrschertugenden / Stärke vs. wahre Stärke / Genie und Wahnsinn / Hochmut und Fall / Sturm und Drang Genie / 


Ethischer Kern-Konflikt: 

1. "Darf man einen Menschen opfern (Wissenschaftlerin), um viel Leid zu verhindern?"
Utilitaristische "klassische" Antwort ("der weißen, alten Männer): Ja.
Bessere Antwort: care-Ethik: "Wir müssen sie nicht opfern, wir können sie verschwinden lassen."

2. Ökologischer Imperativ nach Hans Jonas und dem "Prinzip Verantwortung": Darf die Wissenschaftlerin einen Vibranium-Detektor bauen oder ist das unverantwortlich, weil er langfristig zu Krieg und Elend führen wird? 

„Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung verträglich sind mit der Permanenz echten menschlichen Lebens auf Erden. Oder negativ ausgedrückt: Handle so, dass die Wirkungen deiner Handlung nicht zerstörerisch sind für die künftige Möglichkeit solchen Lebens.“ (Hans Jonas)

Nebenkonflikt: Darf die Wissenschaftlerin in Wakanda ihre Mutter anrufen? --> Familienzusammenführung.