Dienstag, 19. März 2013
Ära Alfons Goppel (Bayerns Ministerpräsident 1962-1978)
"Kontinuität im Wandel"
Fazit: in einer Zeit
mit immensen wirtschaftlichen, technischen, strukturellen und
politischen Veränderungen schaffte es Goppel in seiner sechzehn
Jahre andauernden Regierungsführung Bayern vom Agrarstaat über den
industriellen Agrarstaat hin zu einem wirklichen modernen
Industriestaat zu transformieren, neue Wählerschichten zu
erschließen und auch die zentrenfernen Bevölkerungsschichten
ausreichend in die Modernisierungskonzepte seines Kabinetts zu integrieren. Seine
Politik wird derart beschrieben, dass er „Kontinuität im Wandel“
bot. Beliebtheit erreichte er auch durch seine Politik, die auf
Konsens ausgerichtet war und eine allzu scharfe Polarisierung
gegenüber der Opposition vermied (integrierend, konzilianter
Menschenumgang). Er veränderte mit seiner absoluten CSU-Mehrheit
Bayern mit Bezug auf die Energiepolitik (Atomenergie, Mineralöl und
Erdgasenergie lösen die Braun- und Schwarzkohleindustrie ab), unter
seiner Regierung kam es zu einer Art Bildungsboost, in dem – mit
starker Mithilfe Strauß' und der anderen Parteien - eine Reform der
Konfessionsschulen zu „christlichen Gemeinschaftsschulen“
stattfand und neue Hochschulen und Hochschulklinken gegründet
wurden (z.B. 1962 Uni Regensburg).
Am Rande:
"7. In der Förderung der Eigentumsbildung für alle und in der Eigentumssicherung erblickt
die CSU eine Voraussetzung einer gesunden Gesellschaft. Der Eigentumsbegriff der
CSU hält sich in den Grenzen, die dem christlichen Menschen durch die Rücksicht auf
die Gemeinschaft gezogen sind."
Interessant zu wissen, welche Position die CSU zu Ackermann und andern Ablösesummen- und Bereicherung-Einzelner über das gesunde Maß- Punkten denkt und publiziert und vor allem wie sie legislativ dagegen vorgehen möchte.
Oder hier - mit der Idee nur 4-5h am Tag zu arbeiten, damit man Zeit für die Familie und sich selbst hat - Sprich: die 30 Stunden Woche:
Und das hier zur Kriegsgeschädigten und Vertriebenenpolitik (deutschstämmiger):
"10. Die Christlich-Soziale Union erblickt in einer sinnvollen Verkürzung der Arbeitszeit ein
erstrebenswertes Ziel. Die vermehrte Freizeit soll den Erwerbstätigen ausreichende Er-
holung, echtes Familienleben und lebendige Teilhabe an den kulturellen Lebenswerten
ermöglichen."
"13. Durch den Wandel der gesellschaftlichen Struktur, durch Kriegsfolgen, Vertreibung und
Währungsverfall ist eine Schicht von Notleidenden der verschiedensten sozialen Herkunft
entstanden, die eine auf sozialen Fortschritt und soziale Gerechtigkeit bedachte Gesell-
schaft besonders verpflichtet. Die CSU betrachtet es daher als ihre Pflicht, dieser Schicht
von Notleidenden besonderes Augenmerk zuzuwenden."
IWEIN - um 1200 von Hartmann von Aue
Vorlage: "Yvain ou le
chévalier au lion" von Chrétien de Troyes um 1170
Figuren:
Iwein: Ritter am Artushof
ohne Herrschaftsgebiet und Burg
Kalogrenant: Verwandter
Iweins, der an Askalon gescheitert ist
Keie: Iweins Gegenspieler, der Spott und Hohn für jeden andern an der Tafelrunde übrighat.
Keie: Iweins Gegenspieler, der Spott und Hohn für jeden andern an der Tafelrunde übrighat.
Askalon: Ein Burgherr,
der auch der Wächter einer Quelle ist
Laudine: Die Frau von
Askalon, Iweins zukünftige Gattin
Lunete: Die Vertraute
Laudines: sie spielt eine maßgebliche Rolle bei der Rettung Iweins
(Ring) und bei der Verkupplung zwischen Laudine und Iwein.
Gawein: Ritter an der
Tafelrunde, „verführt“ Iwein auf aventiure auszureiten.
Die Dame von Narison:
Übergibt Iwein im Wald die Zaubersalbe
Die Fee Feimorgan: Hat
die Zaubersalbe angerührt.
Der Riese Harpin: Am
selben Tag wie am Gerichtskampf kämpft Iwein gegen ihn, weil er
seinen Gastgeber bedroht.
Der Graf vom schwarzen
Dorn: Iwein übernimmt die Verteidigung seiner Tochter in einer
Erbstreitangelegenheit mit ihrer älteren Schwester
Der weise Löwe: Iweins treuer Begleiter seit er ihm im Kampf gegen einen Drachen beigestanden hat.
Der weise Löwe: Iweins treuer Begleiter seit er ihm im Kampf gegen einen Drachen beigestanden hat.
1. Inhalt
Struktur: Doppelwegstruktur, also zwei Handlungszyklen.
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Fresko von Schloss Rodenegg in Südtirol |
Erster Handlungszyklus: Iwein erfährt
am Pfingstfest über ein Buch von Kalogrenants Scheitern an Askalon.
Bevor der Artushof gemeinsam auszieht, sucht Iwein die Quelle alleine
auf, duelliert sich mit Askalon, verletzt ihn und verfolgt ihn bis an
seine Burg. Dort rasselt das Fallgitter derart runter, dass Iweins
Pferd durchtrennt wird und er selbst zwischen den beiden Burgtoren
gefangen ist. Aus dieser brenzligen Situation entkommt er nur, weil
Lunete ihm einen Ring gibt (siehe Bild), der ihn unsichtbar macht. Askalon stirbt.
Da seine Wunden von neuem beginnen zu bluten, obwohl er schon tot ist
(Bahntest), weiß man, dass der Mörder sich noch innerhalb der
Burgmauern befinden muss und er wird fieberhaft gesucht. Lunete
beginnt aber zu vermitteln und Iwein als geeigneten Nachfolger für
Askalon anzupreisen. Iwein selbst sah Laudine an einem Fenster stehen
und entbrannte sofort in Minne zu ihr. Laudine geht auf dieses
Angebot ein, Iwein ist auch unterrichtet und komödiantisch ( alle
wissen, was die andern wissen und vorhaben, es muss nur noch „real“
durchgespielt werden) finden die beiden zusammen und heiraten. Damit
hat Iwein eine Frau, eine Herrschaft und Ehre errungen. Er wird sich
aber in Zukunft auch in Minneverpflichtungen befinden.
Auf Geheißt Gaweins, der
ihm das verligen Erecs
abschreckend vorhält – also mit einfachen Worten Gesprochen: Frau,
Wein und Gelage – zieht Iwein noch einmal aus, um Turniere zu
bestreiten und Abenteuer zu bestehen. Laudine gibt ihm genau ein Jahr
Zeit seine Abenteuerlust auszuleben. Die Frist hat es in sich:
Vorausgesetzt wird vom Leser nämlich, dass er weiß, dass im Falle
des Nicht-Einhaltens dieser Frist Iwein alle Rechtansprüche an seine
Frau, aber auch an seine Herrschaft, verlieren würde und neue
Usurpatoren an Laudine andringen könnten. Iwein bestreitet
schließlich viele Abenteuer, verpasst aber die rechtzeitige
Heimkunft um etwa sechs Wochen. Laudine hat Iwein inzwischen als
Verräter vor dem Artushof angeklagt und bricht jeden Kontakt mit ihm
ab. Damit verliert Iwein seine Identität und verfällt in den
Wahnsinn: er reisst sich die Kleider vom Leib und irrt in den Wald.
Dort vegetiert er als Wilder in einer Tauschbeziehung mit einem alten
Mann. Erst eine Zaubersalbe, die er von der Frau von Narison
überreicht bekommt und von der Fee Morgana zubereitet wurde, kommt
er wieder zur Besinnung.
Bemerkenswert ist hier
noch, dass Hartmann die Frau Minne und den Erzähler über die
Minneverpflichtungen reflektieren lässt.
Zweiter Handlungszyklus: Mit dem Wiedererwachen
Iweins beginnt der zweite Handlungszyklus.
Hier kämpft sich Iwein
durch verschiedene Aventiure zurück zu sich selbst und zu Laudine
als Braut. Als erstes erledigt er für die Frau von Narison den
Grafen Aliers, der Ansprüche auf ihr Land erhebt. Eine Hochzeit und
Landesherrschaft mit der Frau von Narison schlägt er aus. Er
unterstützt einen Löwen im Kampf gegen einen Drachen, der ihm
fortan folgt (daher auch der Beiname: Iwein – der Ritter mit dem
Löwen oder Yvain le chévalier au lion
) und ihm eine neue Identität zurückgibt. Schließlich wird der
erste mit dem zweiten Handlungszyklus über Lunete verbunden, die
Vertraute Hofdame von Laudine. Durch einen Zufall kommt Iwein nämlich
an der Quelle vorbei, an der alles begann. Er wird beinahe ohnmächtig
bei der Erinnerung an seinen Verlust. Aber auch Lunete befindet sich
dort. Wegen ihrer Rolle bei der Heirat als Vermittlerin und wegen der
Untreue Iweins ist sie zum Tode verurteilt. Allein ein Gerichtskampf
könnte sie von der Todesstrafe befreien. Dieser müsste allerdings
am folgenden Tag stattfinden. Iweins sieht seine Schuld ein und wird
für sie antreten.
Unmittelbar
darauf verspricht Iwein seinem Gastgeber ihm im Kampf gegen den
Riesen Harpin zu unterstützen. Ebenfalls am Folgetag. Eigentlich hat
er sich damit terminlich überlastet. Weil ihm sein treuer Löwe aber
hilft, gelingt es Iwein nach dem Besiegen des Riesen sich für den
Gerichtskampf anzumelden und teilzunehmen. Den Rittern der Anklage
wird das Schicksal zuteil, das Lunete zugedacht ist: der Tod auf dem
Scheiterhaufen. Laudine hört davon, dass der Ritter von einer Frau
verstoßen wurde und verurteilt dies, ohne zu wissen, dass sie selbst
diese Frau war. Sie erkennt ihren vormaligen Gatten also nicht. Das
Rätsel wird aber auch noch nicht aufgeklärt und Iwein verlässt
Laudine wieder, um sich auf andere Art und Weise Ruhm und Ehre zu
verdienen. Erzähldramaturgisch betrachtet wird also noch ein
retardierendes Moment in den Versepos eingeflochten.
Zuerst
übernimmt er die Verteidigung der Tochter des Grafen vom Schwarzen
Dorn in einer Erbstreitangelegenheit mit ihrer älteren Schwester.
Auch hier soll es zu einem Gerichtskampf am Artushof kommen (Der Hof
als Ort der Rechtsprechung, Blutsgerichtbarkeit usw...). Gemeinsam
mit der jungen Frau macht er sich auf den Weg. Iwein muss dabei noch ein Wegaventiure besteiten: Sie gelangen zur
„Burg der Schlimmen Abenteuer“. Dort muss Iwein gegen zwei Riesen
kämpfen, die 300 adelige Damen in einem Arbeitshaus gefangen halten.
Er brilliert als Kämpfer.
Als Iwein und die Dame am Artushof ankommen, stellt sich heraus, dass ausgerechnet Gawein die Verteidigung der älteren Schwester übernommen hat. Es kommt zum Kampf zwischen den beiden alten Bekannten, die sich nicht erkennen. Da sich beide in nichts nachstehen, kämpfen sie den ganzen Tag miteinander, bis man beschließt, den Kampf aufgrund der einbrechenden Dunkelheit abzubrechen und am Tag darauf fortzusetzen. Im Gespräch erkennen sich die beiden Kontrahenten. Die prekäre Situation wird durch König Artus gelöst: Durch eine Fangfrage entlarvt sich die ältere Schwester im Unrecht und der Kampf muss nicht fortgeführt werden. Iwein gibt sich schließlich zu erkennen und wird freudig wieder in die Tafelrunde aufgenommen, da er sich genügend Ruhm erarbeitet hat um Mitglied der Gemeinschaft zu sein. Soweit, so gut. Was ist aber mit der Liebe? Zuerst reitet Iwein als Löwenritter zum Hof Laudines zurück. Er begießt dort an der Quelle abermals den Stein. Laudine braucht einen Verteidiger. Wieder ist es Lunete, die komödiantenhaft durch eine kluge List vermittelt: Sie preist den Ritter an, der ihr in ihrem Gerichtskampf zur Seite stand. Als Gegenleistung für seine Hilfe müsse sich Laudine aber unter Eid verpflichten, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um dem Ritter zu helfen, die Gunst seiner Herrin, die ihn verstoßen hatte, wiederzugewinnen. Damit verpflichtet sie sich unwissentlich selbst, Iwein zu verzeihen. Die Situation wird abermals komödiantisch aufgelöst und beide erneuern ihren Liebeseid und ihre Treuebekundung. Iwein verspricht, ihre Huld nie wieder zu verspielen. Happy Ending.
Als Iwein und die Dame am Artushof ankommen, stellt sich heraus, dass ausgerechnet Gawein die Verteidigung der älteren Schwester übernommen hat. Es kommt zum Kampf zwischen den beiden alten Bekannten, die sich nicht erkennen. Da sich beide in nichts nachstehen, kämpfen sie den ganzen Tag miteinander, bis man beschließt, den Kampf aufgrund der einbrechenden Dunkelheit abzubrechen und am Tag darauf fortzusetzen. Im Gespräch erkennen sich die beiden Kontrahenten. Die prekäre Situation wird durch König Artus gelöst: Durch eine Fangfrage entlarvt sich die ältere Schwester im Unrecht und der Kampf muss nicht fortgeführt werden. Iwein gibt sich schließlich zu erkennen und wird freudig wieder in die Tafelrunde aufgenommen, da er sich genügend Ruhm erarbeitet hat um Mitglied der Gemeinschaft zu sein. Soweit, so gut. Was ist aber mit der Liebe? Zuerst reitet Iwein als Löwenritter zum Hof Laudines zurück. Er begießt dort an der Quelle abermals den Stein. Laudine braucht einen Verteidiger. Wieder ist es Lunete, die komödiantenhaft durch eine kluge List vermittelt: Sie preist den Ritter an, der ihr in ihrem Gerichtskampf zur Seite stand. Als Gegenleistung für seine Hilfe müsse sich Laudine aber unter Eid verpflichten, alles in ihrer Macht stehende zu tun, um dem Ritter zu helfen, die Gunst seiner Herrin, die ihn verstoßen hatte, wiederzugewinnen. Damit verpflichtet sie sich unwissentlich selbst, Iwein zu verzeihen. Die Situation wird abermals komödiantisch aufgelöst und beide erneuern ihren Liebeseid und ihre Treuebekundung. Iwein verspricht, ihre Huld nie wieder zu verspielen. Happy Ending.
2. Zusatzinformationen und Interpretationsansätze
Generell sieht man den Iwein Roman oftmals als Spiegelbild zum Erec Roman. Während Erec sich "verliegt" und damit seine Ritterpflichten vernachlässigt, "verrittert" sich Iwein zusammen mit Gawein und vernachlässigt seine Pflichten als Landesherr und Ehemann. Die beiden Romane sind also als erstes komplementär zu betrachten. (Konflikt "minne" und "êre")Man kann Iwein auch als "Schuld-Sühne"-Geschichte lesen. Die Schulden, die sich Iwein auflasstet sind dann folgende: Zum einen das Nicht Einhalten der Jahrespflicht gegenüber Laudine, obwohl sie ihm in aller Deutlichkeit die Konsequenzen vor Augen führt. (s. u. unter Mertens in diese Richtung laufende Gedanken). Zum andern tötet er einen Flüchtenden rücklings, dem er in der Pfingstzeit, der fehdefreien Zeit im Zeitverständnis, und ohne eine direkte Fehdeankündigung nach Provokation durch Beschädigung dessen Landes. (Daher die symbolische Spiegelkomposition: den Graf von Aliers tötet er nicht). Fahnenflucht begeht er gegenüber dem Artushof.
Schuld des Artushofs: aus Aventuiresucht führt Kalogrenant, Iwein und der ganze Artushof einen überfallartigen Angriffskrieg gegen Askalon aus.
...der achte Tag nach der Sonnenwende.
(Die folgenden Ausführungen basieren größtenteils auf dem Nachwort von Thomas Cramer in Benecke/Lachmann/Wolffs (Hg.) Primärtext "Hartmann von Aue. Iwein" 4. überarbeitete Aufl.; Berlin / New York, 2001.)
Zur Datierung:
In Wolframs "Parzival" (7. Buch) erwähnt Wolfram zum einen ein historisches Ereignis: Die Zerstörung der Erfurter Weingärten im Rahmen einer Thornauseinandersetzung von Philipp von Schwaben und Otto von Braunschweig. Diese fand 1203 statt. Im selben Buch, etwas weiter vorne, erwähnt Wolfram den Ratschlag der Frau Lunete ("vroun Lunete rat"). Das heißt, dass der Iwein 1203 aller Wahrscheinlichkeit nach schon vollendet gewesen sein muss (wenn man Teilfassungen und Vorveröffentlichungen ausklammert). Die Wolfram stelle ist insgesamt ein sehr wichtiger Datierungsfixpunkt in der mittelhochdeutschen Klassikliteratur. Prinzipiell ist es aber ein großes Tappen im Dunkeln um eine genau Datierung der Werke Hartmanns im Allgemeinen. Man geht dabei vor allem auch nach Stilkriterien um, die eine Abfolge innerhalb der Werke Hartmanns annehmen lassen dürfen (Erec, Iwein, der arme Heinrich, Gregorius).
Zur Überlieferung ist zu sagen, dass vom Iwein 17 Fragemente und 15 vollständige Handschriften allein aus dem 13. und 14. Jahrhundert überliefert sind, aus dem 15. Jahrundert immerhin noch 7 Handschriften bzw. Fragmente. Das ist eine äußerst dichte Quellenlage. Dazu kommen die Fresken auf Schloss Rodeneck in Südtirol. Allerdings sind die Handschriften alles andere als identisch. Allein in den zwei ältesten Handschriften aus der ersten Hälfte des 13. Jahrhunderts finden sich mehr als 100 (!) Abweichungen. Innerhalb dieser Handschrift A und Handschrift B genannten Aufzeichnungen besteht außerdem ein quantitatives Missverhältnis: Handschrift B umfasst 150 Verse mehr als Handschrift A.
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Hartmann von Aue im Codex Manesse |
Zu Hartmann von Aue:
Urkundlich ist er nicht
bezeugt, weswegen man seine Lebensdaten nur über Testimonien rekonstruieren kann. Er schrieb vier Versromane – den Erec
(gg. 1180), den Georgius, Der arme Heinrich und
schließlich Iwein (1202). Die Romane werden nach ihrer
Stilistik und andere Charakteristika geordnet. Außerdem gibt es noch
das Klagebüchlein, ein allegorisches Streitgespräch, in dem
sich Hartmann als „jûgendlic“ bezeichnet.
Wie jeder Schriftsteller
dieser Zeit war auch Hartmann auf einen Mäzenen angewiesen. Sehr
eindeutig lässt sich sagen, dass er aus dem Herzogtum Schwaben, also dem alemannischen Sprachraum, kam
und für die Zähringer Literatur verfasste. Zum einen erwähnt er
sehr oft das „Swâben Lande“, zum andern ist Hartmann von
Aue sowohl im Codex Manesse als auch in einer andere Handschrift mit
dem Wappen der Zähringer, wenn auch in leicht abgewandelter Form,
abgebildet: Ein weißer Adler auf schwarzem Grund. Auch Kreuzlieder
gehören in seinen Epos und sein Werk fällt in den geschichtlichen
Kontext des dritten Kreuzzugs (1189). Ob er selbst am Kreuzzug
teilgenommen hat, ist fraglich.
Seine Werke haben häufig
Prologe und Epiloge, in denen Hartmann auch zu sich selbst schreibt.
Er lässt kenntlich werden, dass er ein gebildeter Ritter ist, des
Schreibens und Lesens kundig. Auch die Tatsache, dass er den Erec und
Iwein zu sehr großen Teilen nur aus dem Altfranzösischen übertragen
hatte – Chrétien de Troyes war sein Vorschreiber – lassen darauf
schließen, dass er ein gebildeter Mann war, da er diese Sprache
anscheinend fließend beherrschte.
Im Iwein im Prolog, kaum
anders als im armen Heinrich, Vers 21-30 gibt er sich als Autor des
Werks preis:
„Ein rîter der gelêret
was
unde ez an den bouchen
las
(…) er was genant
Harman
und was ein Ouwaere“
zusätzliche Infos:
Darin befinden sich zum einen generelle Informationen zum Artusroman, zum andern eine spezielle Interpretation des Iweinstoffs mit besonderer Hinsicht auf "Liebe und Politik" (S.63ff.)
1. Zuerst zum Artusroman an sich.
- Er agiert im System "feudale Selbstinszenierung durch Literaturförderung" mit der Bedignung vorhandener "Resonanzmöglichkeiten (Hof und Publikum) (S. 11f.)
- chanson de geste: Heldenlied (Rolandlied 1172 Pfaffe Konrad in dtschem Sprachraum)
- Artusstoff: aus der bretonischen Mythen- und Sagentradition
- Leitthemen des Artusromans: Utopie, dass der beste Ritter die schönste Frau bekommt und das Beweisen von "edler Liebe" und "rechtem Kampf" (S.11).
- Idee zum Erec-Roman bei Hoftag Friedrich I in Mainz? Veldeke als Vorbild und zu überbietender Konkurrent?
- Über den Artusstoff:
- Geoffrey von Monnomouth: Historica regnum Britanniae (spätestens 1135 vollendet):
- Auftragskunst mit dem Ziel der Herrschaftslegitimation, da die normannischen Könige "Fremdherrscher" waren, also nicht in der britannischen Tradition verwurzelt.
- Eigentlich ist Artus - auf den dann eben die neuen Könige zurückbezogen werden, weil Geoffrey so erfolgreich und überzeugend mit seiner Fiktionsgeschichte ist, nur eine schemenhaft umrissen Gestalt aus dem keltischen Sagenkreis.
- Er geht zurück, nach der Genealogie Geoffreys, auf Eneas und Brutus. Brutus ist ein Großonkel Eneas (trojanischer Kämpfer). Nach dem Fall Trojas sammeln sich die übriggebliebenen Trojaner unter Brutus in Kleinasien, um dann nach einem neuen Zuhause zu suchen. Sie finden den Weg über Frankreich zur "Besten der Inseln". Warum? Die Jagdgöttin Diana verweist ihn auf eine Insel jenseits von Gallien, "die ihnen ein zweites Troja sein würde" (S. 15) Nach einem siegreichen Zug durch Frankreich kommt Brutus an und nennt Albion nach seinem Namen - Brutus - um in Britannien (!). Drei Söhne hat Brutus, unter denen er das Inselreich dann auch aufteilen wird: Logernius (-> England / Logrien), Kamber (-> Kambria / Kambrien = Wales)
- Auch Julius Caesar und die Römer kommen in dem Werk vor. Na ja, Artus wird gezeugt und kommt irgendwann nach Avalon, um sich von Wunden zu heilen.
Mertens plädoyiert dafür den Iwein als Kritik des arthurischen Herrschafts- und Verhaltensideals zu lesen. Die prototypische Erzählfabel, dass der beste Ritter die schönste Frau bekommt wird derart kritisch in Frage gestellt, dass gerade das ritterliche Verhalten, das aus Iweins unstillbarer Lust nach aventiure zum reinen Selbst- und Identitätserhaltungszweck besteht, nicht zielführend ist. Iwein verpasst die Chance seinen Charakter zum verantwortungsbewussten Landesherren umzuformen. Die neue Rolle an der Seite seiner Frau, die diese auch von ihm erwartet, ist die des Beschützers und Landesherren.
Der narrative Kniff, den Hartmann von Aue bzw. Chretiennes de Troyes eingebaut hat, um diese Auslegung des Romans zu untermauern, ist der doppelte Boden im zweiten Handlungsstrang der Iweinerzählung. Iwein verteidigt dort dreimal Frauen, was symbolisch als Nachholung, bzw. Lernprozess des großen Versäumnisses gegenüber seinen Beschützerpflichten Laudines zu verstehen ist. (Die Gräfin von Narisson, deren Hand er auch aus anhaltender Liebe zu Laudine ausschlägt, Lunete, deren drei Ankläger er besiegt weil diese verurteilt zum Tode ist aufgrund ihrer Kuppelmachenschaften in Sachen "Hochzeit Iwein-Laudine" und schließlich die Tochter des Grafen vom schwarzen Dorn, die er in einer Erbstreitigkeit ausgerechnet gegen Gawein verteidigen muss).
Neben dieser Akzentuierung auf die Dienstbarkeit Iweins gegenüber Frauen ist der andere symbolische Strang des zweiten Handlungsabschnittes die Selbstorganisation Iweins. Auch hier geht es immer wieder um Fristen und um Pünktlichkeit, um "Zeit- und Resourcenmanagement" im modernen Ausdruck. Iwein hat schwer damit zu kämpfen, und wäre nicht der weise Löwe sein Begleiter und Helfer geworden, hätte er zum Beispiel bei seinem Kampf gegen den Riesen Harpin und die Verteidigung Lunetes gegen ihre Ankläger einmal mehr gegenüber den Diensten einer Frau versagt. Glücklicherweise gelingt Iwein aber beides. Was fehlt nun noch zum Happy End? Iwein hat seine Lektion gelernt. Er ist also bereit wieder in den Stand der Ehe als Verteidiger einzutreten. Ist Laudine auch bereit, ihm zu verzeihen?
Iwein reitet nach dem Duell gegen Gawein, welches durch sein tapferes Kampfverhalten zu seiner Reakkreditierung an der Tafelrunde führt, wieder an Laudines Hof. Erneut begießt er den Stein neben der Quelle. Wer kommt, um die Quelle zu verteidigen?
Unterschiede in dem Stoff erklärt Mertens ebenfalls aus seiner Liebes-Interpretation heraus. Im Vergleich zu Chretiennes sind einige Stellen gekürzt, andere ausgebaut oder erfunden. Gewichtig ist dabei die Szene, in der Laudine quais in einem Art Selbstprozess ihren Zorn gegenüber Lunete verhandelt, als diese ihr vorschlug, den Mörder ihres Gemahles zu heiraten, da dieser als neuer Verteidiger ja wohl der geeignetste Mann sei (Außerdem setzt sie Laudine unter Druck, indem sie die Ankunft des Artushofs innerhalb der nächsten Woche preisgibt). Laudine bereut es, nachdem sie ihre Vertraute Kammerjungfer herausgeworfen hat, ihr gegenüber zornig gewesen zu sein. Sie stimmt in ihre Argumentation ein. Zusätzlich zu diesem Verhalten Laudines, das der Erzähler schildert, ergreift dieser auch kommentierend selbst das Wort, und rechtfertigt Laudines Verhalten durch gendertypologische Anmaßungen: Frauen würden oft erst gegen das, was gut für sie ist, widersprechen, bevor sie erkennen, dass es für sie gut ist und sie sich entsprechend der guten Ratschläge verhalten. Hartmann versucht also, so argumentiert Mertens, die nach wie vor irritierende Tatsache, dass Laudine den Mann ihres Mörders heiraten wird (!) durch diese narrative und argumentative Erzählstruktur abzufedern. Dies sei die Strategie, die Hartmann mit dem Einflechten dieses Textabschnittes verfolgen würde, so argumentiert er. Laudine soll nicht mehr wankelmütig wirken.
KLEIN, Christiane: Aus: Mittelalter. Lehrbuch Germanistik; Stuttgart, 2006. Darin S. 213-221)
Zuerst einmal lernt man, dass mit "Tjost" der Kampf mit untergeklemmter Lanze von zwei reitenden Rittern gemeint ist. Dann erfährt man über KLEIN, dass Riesen in den aventiure Geschichten der Artusromane "Chiffren für Menschen, die Unrecht und Gewalt ausüben" (Ingrid Kasten) sind. Außerdem ist auch die Bemerkung, das Hartmanns Werk als Korrektiv der höfischen Lebenswirklichkeit gemeint ist, äußert lehrreich. Damit benennt sie eine Funktion von Literatur, die ich so noch nicht kannte. Erec ist der erste deutschsprachige Artusroman. Geschrieben wurde er um 1180/85. Stimmt, denn der Versepos Veldekes, der Eneasroman, handelt ja von einem anderen mythologischem Stoff aus der griechischen Antike.
In ihm geht es um das Ausloten höfischer Moral- und Ethikvorstellungen. Insbesondere geht es dabei um die Rolle des Mannes zwischen Krieger und Ehemann. "Hartmann", so schließt sie ihre Betrachtung, "hat mit seinem Erec einen für seine Zeit neuartigen Entwurf einer adeligen Männlichkeit vorgelegt und zugleich KRitik an der herkömmlichen Lebensformen geübt: Kritik am heroischen Haudegen, für den GEwalt einen Eigenwert hat; ritik an der traditionellen feuadalen Eheform, die den Mann mit weitreichenden Gwaltlizensen ausstattet Kritik an einer Liebesbeziehung, die die in sozialer Isolation gelebt wird." (S. 217)
Im Iwein dagegen geht es um den Lernprozess Iweins: als kampflustiger Junggeselle zieht er aus, als verantwortungsbewusster Ehemann und Verteidiger der rechten Ordnung kehrt er an die Seite Laudines zurück. Außerdem arbeitet Klein das Gefälle zwischen Iwein und Laudine heraus. Iwein brennt in heißer Minne zu Laudine und definiert sich auch über diese, wohingegen Laudine von Anfang an eher kühl und pragmatisch an Iwein herantritt.
GELLINEK, Christian: Zu Hartmann von Aues Herzenstausch: Iwein V. 2956 - 3028. In ders. (Hg.): Essays zur Literaturkritik des europäischen Mittelalters. Posen, 1980. S. 149-156.
Nachdem Iwein die Gunst Laudines erworben hat, der Artushof zur Hochzeitsfeier von etwa einer Woche am Hof verweilt ist, kommt es dazu, dass Gawein Iwein auffordert, sich nicht zu "verliegen", wie es Erec ergangen ist. Iwein folgt dem verhängnisvollen Ratschlag seines Freundes, der ja recht hat, aber nicht mit Iweins schlechtem Zeitmanagement rechnet. So reiten Artus, die Ritter, Iwein und Laudine gemeinsam Richtung Artushof. Es ist klar, dass sich beide trennen werden. Zum Abschied erfindet Hartmann im Gegensatz zu seiner Chrétienne eine Szene, in der Frau Minne auftaucht und sich mit dem Erzähler streitet. Sie drängt dem Erzähler schließlich die Tatsache auf, dass Iwein und Laudine ihre Herzen getauscht hätten. So reite Iwein mit dem Herz von Laudine weiter und Laudine mit dem Herzen Iweins zurück auf ihre Burg.
Gellinek erklärt diese Szene derart, dass der Herzenstausch bereits die forensische Anlage für den späteren Wahnsinn Iweins seien würde, und dass damit eine Verbindung zwischen beiden Figuren aufrechterhalten würde, auch in den Momenten schlimmster Not. Diese Bindung verbraucht sich allmählich und wird, so Gellinek, durch "diu rehte güete" ersetzt. Dieser Austauschprozess, den vor allem Iwein in seiner Reakreditierungskampagne durchläuft, läuft simultan: der Herzenstausch nimmt ab, die rehte güete nimmt zu. Derart, dass später gar nicht mehr darauf eingegangen werden muss, und die Einmischung von Frau Minne zu späteren Momenten im Roman nicht mehr nötig ist. Allein in den Versen 5456 - 5458 wird das Motiv noch einmal aufgegriffen (Kohärenz...):
daz in diu niht erkannte / diu doch sîn herze bî ir truoc / daz was wunders genuoc
Sehr lustig ist die Gegenrefutatio Hartmanns als ironisch gebrochener unschuld mimender Erzähler: Wenn beide doch aber ihre Herzen getauscht haben würden, "dann wird sie Mannestaten ausführen müssen und sollte eher auf Turniere reiten können, und er daheim das Haus besorgen" sowie die vorangehende Frage, ob Iwein dann überhaupt noch zum Ritter tauge? "Er muß mutlos wie eine Frauenperson sein" (S. 141)
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