Inhalt:
Das Szenario ist ein Dorf irgendwo im Nirgendwo in Polen mit klaren Hierarchien und Vorstellungen, wie das Leben zu sein hat: Christlich, verheiratet und hart arbeitend. Irgendwo in der Ferne ein Gutsherr und im Dorf der Schulze, der für Recht und Ordnung sorgen oder vermitteln soll.
Als Figuren treten der freie Großbauer Boryna auf, der vor kurzem seine Frau verloren hat. Mit dieser hat er zwei Söhne, von denen der ältere, Antek, verheiratet ist und selbst ein Kind hat. Auf der anderen Seite befindet sich die junge, bildhübsche und unverheiratete Jagna, die noch bei der Mutter lebt (Wo ist der Vater? ) und die anderen Dorfbewohnerinnen und Bewohner, so wie der Schmied, der Müller und andere Knechte, Mägde und ein Geistlicher.
Nun will die Mechanik des Dorfs, dass jedermann und jede Frau verheiratet werden. Schlimm genug. Dazu kommt aber auch noch, dass die Heiratspolitik auch Machtpolitik ist, denn über Mitgift und Erbe entscheidet sich, wer welche Position im Dorf hat. (SPOILER ALARM) Das Unglück nimmt dadurch seinen Lauf, dass Boryna sich überreden lässt, Jagna zu heiraten, obwohl diese viel jünger ist. Und Jagnas Mutter stimmt dem Handel geblendet vom Besitz, den sie und Jagna dadurch bekommen (3ha Land) zu.
Dabei hat die junge Jagna eigentlich nur Augen für Borynas Sohn Antek und dieser wiederum findet Jagna auch nicht schlecht, obwohl er verheiratet ist und Kinder hat. Ach ja, und der Besitz und das Erbe von Boryna - das ist natürlich auch hoch begehrt. (RICHTIGER SPOILER ALARM) Und so kommt, was kommen muss: Der Sohn hasst den Vater, der Vater verstößt daraufhin den Sohn samt Familie, die Frau wirft dem Ehemann vor, dass er nicht für sie sorgt, Jagna ist unglücklich und betrügt ihren Mann mit Antek. Zusätzliche Bewegung in diese eh schon total überhitzte und aufgeheizte Situation bringt der Gutsherr, der auf einmal die Holzrechte an einem vom Dorf gemeinschaftlich genutzten Wald, für sich selbst beansprucht. Der gemeinsame Feind bringt Vater und Sohn wieder näher doch das missgönnende Dorf sucht ein Opfer und beschließt Jagna zu vertreiben.
Kommentar:
Nach einer Exposition, in der die unterschiedlichen Figuren und ihre Position im Dorfkosmos beleuchtet wird, entspinnt sich ein klassisches Drama mit Vater-Sohn-Konflikt und dem Grundproblemen, dass die Hölle die anderen sind, wie Sartre gesagt hätte (durch ihre Missgunst und ihren "Allzumenschlichen" Drang nach Macht, Geltung und Ansehen) und dass Liebesheiraten eben doch das bessere Modell sind. Wenn überhaupt geheiratet werden muss.
Jagna laviert irgendwo zwischen Unschuldsengel, Barbiepuppe, die nicht mehr kann als Scherenschnitte herzustellen, und Trophäe in einer Männerwelt zu sein. Boryna ist ein alter Haudegen, hart aber irgendwo auch gerecht, dem Leistung am Ende doch wichtiger ist als Schönheit und Ehe (sonst hätte er sein Geld nicht Maria gegeben) und der das Herz doch am rechten Fleck hat, nur eben diesen einen grossen Fehler begeht (hamartia) sich zur Hochzeit mit der viel jüngeren Boryna verleiten zu lassen. Antek dagegen hat sich nicht wirklich unter Kontrolle. Wild und unbändig, aufbrausend, stolz und blind wütet er durch die Handlung.
Der Film ist komplex, weil sich die Figurenverhältnisse wandeln. Antek und das Dorf begehren oder verachten Jagna. Boryna verstößt die Familie seines Sohns, um sich ihr dann doch wieder anzunähern. Antek hasst seinen Vater, um ihn dann doch zu retten und zu lieben. Der Schulze sucht seinen Vorteil (und wird von Anfang an als "ekliger", schmatzender Machtmensch dargestellt.) Und auch Jagna lässt mit sich geschehen, gibt sich ihrem "Schicksal" hin, um dann doch wieder aufzubegehren. Leicht haben sie es alle nicht...
Das Besondere
Das Besondere an dem Film nun aber ist seine Machart. Reales Schauspiel wurde mit realen Ölgemälden und AI ergänzt. Das heisst, ein großer Anteil des Films - die Postproduktion - beinhaltete das Nachmalen oder Übermalen und Ergänzen der Szenen aus dem Film, so dass das Endresultat ein einziges ineinanderfließendes Ölgemälde zu sein scheint, voller atemberaubender Details und Portraits aber genauso voller atemberaubender idyllischer oder beängstigender Landschaften. Viele zeitgenössische reale Ölgemälde dienten dabei auch als Vorlage und Inspirationsquelle, um den Zeitgeist in der Zeit vor der Bauernbefreiung einzufangen. Damit entsteht ein vor allem visuell beeindruckendes, wildes und leidenschaftliches, berauschendes Erlebnis, wenn man den Film betrachtet. Auch die Musik, die an Yann Thiessen erinnert, ist mitreissend und schön.Wie viel Arbeit in dem Film steckt merkt man erst, wenn man sich weiter damit beschäftigt. Über den Instagram-Channel zu "thepeasantmovie" bekommt man hier erst eine Ahnung davon, wie unglaublich viel Arbeit in der Postproduktion steckt! Die Gemälde können auch für 250-10.000€ erworben werden.
Fazit:
Definitiv ein Spektakel, eine Reise in eine vergangen grausame Zeit und eine Studie der Folgen einer verkrusteten Gesellschaftsordnung und die dunklen Seiten des Menschen mit einem Hauch Dirty Dancing ;) Hinzu kommt der massive visuelle Wert der Produktion. Ziemlich üppig! Sehenswert aber kein "musthaveseen" und auf den Spuren von "Waking Live" "Dogville" und Yann Tiersen.
Mehr Infos z.B. unter: https://thepeasantsmovie.com/keyframes,47,en
Hier noch einige Screenshots vom Instaprofil.