Freitag, 17. Januar 2014

Tolkien - Der kleine Hobbit (Buch)

Inhalt:


In dem Fantasy- Kinderbuch "Der Hobbit" geht es um den abenteuerlichen Weg einer unfreiwilligen Heldengeburt des Hobbits Bilbo Beutlin, der sich mehr oder weniger freiwillig einer Horde Zwerge anschließt, um deren Schatz unter dem "Einsamen Berg" vom Drachen Smaug zurückzuerobern.


Beobachtungen eines Literaturwissenschaftlers zur Gattung und Genealogie

Erst 1973 ist Tolkien gestorben, davor war er Professor für Philologie. Der Hobbit (1930-1936) gilt als sein Erstling. Aber in der Tat, man merkt dem Findling seine Eltern an: Es ist, als könne man das Geflüster  der Weltliteratur mal mehr mal weniger deutlich durch die Oberfläche der fantastischen Erzählung hören und wahrnehmen, wie sie ihren Einfluss auf die Erzählung nahm.
So ist das Buch ganz im Geiste der Romantik und als universalpoetisches Kunstwerk zu verstehen. Weniger mit Bezug darauf, dass tiefanalystische Philosophietheorien darin auftauchen (zwar ist das Buch durchaus durchzogen von lehrreichen Sentenzen, doch diese sind mehr im Volksmund verfasst). Vielmehr bringt das Werk die Urgattungen der Literatur in einem gelungenen Mix zusammen. Erzählpassagen, Gedichte und Gesänge sowie sehr dialogreiche, beinahe dramatische Passagen wechseln einander in den Abenteuern, die der kleine Hobbit durchleben muss, ab. Erzählt wird aus auktorial - persönlicher Perspektive, wodurch das Buch immer wieder in den Duktus eines ironischen Schelmenromans verfällt.
Dabei verweilt das Buch nicht nur in romantischen Landschafts- und Elfenträumerein des 19. Jahrhunderts. Tolkien gräbt tiefer und führt auch archaische Urstrukturen der Erzählung ein, die das erste Mal durch Plutarch aufgezeichnet worden sind: Die phantastische Figur des Beorn, ein Gestaltenwandler, halb Ökobauer halb Bär, lässt seine Stimme über das Schlachtfeld donnern und es scheint, als würde eine andere, weitaus größere und göttliche Figur mitbrüllen - Hier findet sich ein Motiv des Übernatürlichen, das auch schon in Plutarchs Timoleon oder Themistokles Schilderung aufgetaucht war. Auch die Größe der Heere und deren Bewaffnung - all das erinnert an die Antike und andere archaische Zeiten, als noch Fußheere mit Schlag- und Spießwaffen aufeinanderprallten. Ja überhaupt, das Wandermotiv und zu Fuß zu reisen, spielen eine große Rolle in dem Buch.

Persönliche Highlights

Warum sollte man den Hobbit lesen? Der Hobbit ist eines der stimmungsvollsten Bücher, die ich je gelesen habe, wenn nicht sogar das stimmungsvollste. Es entführt einen als Leser in eine vollkommen andere triviale, doch dennoch alles andere als einfache  Welt voller abenteuerlicher Geister, Geschöpfe und Gefahren. Bei aller Spannung verbreitet er gleichzeitig immer das Gefühl von Behaglichkeit - als würde man als britischen Lordschaft in einem Ohrensessel sitzen, vor einem knisternden Kamin, Tee trinken und Pfeife rauchen mit "dem guten Buch" in der Hand...
Kaum ein anderes Buch nimmt einen so aus dem Alltag weg und verbreitet einen Zauber, wie dieses Buch...Ein Arbeitskollege teilte mit mir die Erkenntnis, dass es kaum einen besseren Anfang für ein Buch gibt, als die Beschreibung der Hobbithöhle (egal, ob auf Englisch oder Deutsch). Und ich stimme dem voll zu. Zugegeben, das Buch braucht ein wenig, um Fahrt aufzunehmen...aber wenn die Reise einmal begonnen hat, ist es nur phantastisch! 
Mein zweites Highlight ist das doppelbödige Gespräch zwischen Bilbo und Smaug. Doch auch das Treffen mit Gollum im Inneren der Bergstollen mit dem Rätselgespräch bleibt ein unvergessliches Erlebnis. Und die Flucht erst! Quoi de plus? Die Grausamkeit der Spinnen, das Berggewitter, die Dummheit der Menschen (bzw. Völker), wenn sie sich alle zur großen Schlacht vor den Toren des Schicksalsbergs einfinden nur um glücklicherweise durch einen noch größeren Feind, der an die Tore Mittelerdes anklopft, und die Verhandlungskünste des kleinen Bilbo Beutlins wieder vereinen.

 Fazit 

Man sollte den Film gar nicht erst zum Vergleich heranziehen. Auch er ist einer Kritik würdig, allerdings stammt er aus einer anderen Zeit und ist ein anderes Medium mit einem anderen - nicht zwangsläufig lesefreudigen - Publikum. Der kleine Hobbit ist ein Lesebuch. Vielleicht sogar "das" Lesebuch, das einen Höhepunkt und Schlussstrich bildungsbürgerlicher Unterhaltung im europäischen Raum darstellt. Ein Buch in alten Erzähltraditionen verhaftet, zum Versinken, Träumen und Entfliehen. 

P.S.: Zum Nachlesen - falles es noch nicht bekannt ist: Schlegels Definition zur progressiven Universalpoesie:
Das Athenäums-Fragment Nr. 116
Die romantische Poesie ist eine progressive Universalpoesie. Ihre Bestimmung ist nicht bloß, alle getrennten Gattungen der Poesie wieder zu vereinigen und die Poesie mit der Philosophie und Rhetorik in Berührung zu setzen. Sie will und soll auch Poesie und Prosa, Genialität und Kritik, Kunstpoesie und Naturpoesie bald mischen, bald verschmelzen, die Poesie lebendig und gesellig und das Leben und die Gesellschaft poetisch machen, den Witz poetisieren und die Formen der Kunst mit gediegnem Bildungsstoff jeder Art anfüllen und sättigen und durch die Schwingungen des Humors beseelen. Sie umfaßt alles, was nur poetisch ist, vom größten wieder mehrere Systeme in sich enthaltenden Systeme der Kunst bis zu dem Seufzer, dem Kuß, den das dichtende Kind aushaucht in kunstlosem Gesang. […]
  

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