Sonntag, 8. Februar 2015

Traumnovelle - Arthur Schnitzler - Inszenierung an der theaterwerkstatt Würzburg 2015

Ein guter Freund von mir hat mich ins Theater eingeladen und beidem sollte man immer nachkommen, man bereut es nie: Freundschaft zu pflegen und ins Theater zu gehen.
Diesmal also Schnitzlers "Traumnovelle", Wiener Moderne (mit viel Freud) 1925. 


Inhalt: 

Über zwei Akte wurde in mehreren Szenen der Verlauf eines Tags und einer Nacht eines Doktors aufgezeichnet, der frustriert von Frau und Leben in ein erotisch-knisternd-tödliches Abenteuer hineingezogen wird. Dabei schwebt das Stück zwischen Traum und Realität, die meisten Rätsel, die während der Handlung aufkommen, bleiben ungelöst. War es ein Traum oder echt? Der Untergang des Helden, für den sich eine Frau hingibt, damit er leben darf.

Inszenierung. 

Mit lediglich vier Schauspielern wurde das Figurenkabinett Schnitzlers auf die Bühne gebracht. Dabei lassen sich die Gruppen wie folgt gruppieren:
Hauptfigur ist der Doktor, direkt neben ihm steht seine Frau und ein befreundeter Arztkollege. Die restlichen Personen entsteigen dem Dunstkreis der nächtlichen Eskapaden der Hauptfigur: Ein Kostümhändler, seine wahnsinnige Tochter und ihr junger Liebhaber, der gestorbene Landrat, seine Tochter und ihr Ehemann, Miezi (eine Prostituierte), Nachtigal (der "Schleuser"), ein Barkeeper und eine nachtumrauschte Sado-Maso-Gangbang Mitternachtsgesellschaft inklusive einer dubiosen Gräfin "Dubioska" (o.s.ä.).
All diese Figuren wurden von vier Schauspielern gespielt, wobei nur die Hauptfigur den Luxus genießt, "nur" seine Rolle zu spielen. Alle andern müssen wechseln. Rolle, Kostüm und Figur. Dabei war die inszenatorische Entscheidung, ein strenges Stück mit hohem Tempo zu präsentieren. Seien es die Szenenumbauszenen, sei es die Sprache und Sprechweise, seien es die Umkleidepausen oder die Länge der Szenen (wohl keine länger als zwei Minuten) - alles passt zusammen und drängt zuerst immer tiefer in die Verwirrung und dann zum Ende der Handlung hin. Dabei überwiegen dunkle Szenen, eingetaucht - natürlich - in Rotlicht, Blautöne, Dimmerlicht. Definitiv ist die Vorstellung erotisch, den Film kenne ich nicht, aber in ihm ist es wohl auch so. Und definitiv wird der Zuschauer so zum Voyeur.Die Nähe zum venezianischen Maskenball und Larvenmotiv (ein beliebter Topos in der Literatur seit Goethes Turmgesellschaft und ganz groß in der Romantik) gefiel mir gut, ihre dramatische Psychologisierung durch Schnitzler fand ich interessant.
Die Musik im Umbau und manchmal auch in die Szenen hinein untermalte die Stimmungen gut oder transportierte in sie herein. Lediglich ein Fehlgriff: Das meiste war voll instrumental mit tiefen Pianoklängen, bis auf ein Lied, in dem dann auf einmal Gesang einsetzt.

Meinung: 

Die Schauspieler haben alle gut und überzeugend ihre Arbeit gemacht. Insbesondere ist es wohl ein sehr arbeitsintensives Stück für sie: viel Text, viel Umbau- und Umzieharbeit. Was zu spielen war, ist auch nicht jedermanns Sache - für prüde Seelen wäre das nichts gewesen. Insgesamt also (für ein Offtheater): haben sie es bravourös gemacht! Sogar zwei verschiedene Dialekte hat Stephan Ladnar eingebaut, allein dafür Respekt! Auch Lisa Schopf hat eine große, facettenreiche Leistung abgelegt: Prostituierte, Verrückte, Herzgebrochene. Alles drei glaubhaft, plausibel, wirksam.
Die Beleuchtung ist gelungen, insbesondere die "Blitzszenen" im Swingerclub waren für mich sehr wirkungsvoll. Man erkennt - darf sich noch ein Detail raussuchen, und schon ist die Szene wieder vorbei!
Und das Stück selbst ist eine Reise in die Wiener - Pariser - Berliner - Weimarer Republik - Opiumrausch- Nachtschwärm - Exzess- und Experimentgesellschaft und das Gedankengut der endenen Frühmoderne. Nicht jedermanns Sache vielleicht, aber mir hat's sehr gut gefallen!
Vielen Dank für diesen schönen Abend!


Ach ja, eine Parallele fällt mir noch ein - auch "In Schrebers Garten" im Mainfrankentheater ging es tief ins Absurd-Unbewusste hinein, ähnlich faszinierend!

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen