Dienstag, 28. Juli 2015

Ein Mensch gegen das System: Der Hauptmann von Köpenick (1956)

1955 erschien der Hauptmann von Köpenick - nach dem Theaterstück von Zuckermayer, der die Vorlage wiederum selbst aus der Realität zog: Der Kampf eines kleinkriminellen Mannes gegen die Windmühlen der Bürokratie und für ein klitzekleines Papierchen: Die Aufenthaltsgenehmigung.

Inhalt:

Wilhelm Voigt ist hinter preußischen Gardinen. Dort arbeitet er und bindet Fußmatten. Nach dem Gottesdienst erfolgt im Gefängnisalltag immer wieder die Beschulung durch den Gefängnisdirektor, der ein wahnsinniges Fabel für das preußische Militär hat. Er lässt die Insassen aufteilen in Infanterie, Kavallerie und Artillerieregimenter, die dann dem fingierten Standpunkt des Feindes zu erobern haben (was für ein Spielleiter!) mit dem Effekt, dass Voigt zum Armeekenner wird.
Nach seiner Entlassung kommt der Kleinkriminelle bei der Schwester und ihrem Schwager unter. Dort wird er angehalten, sich zu melden und seine Aufenthaltsgenehmigung zu beantragen. Sein Schwager selbst ist ein rechtschaffener "Soldat und Beamter", der die "gottgegebene Ordnung" des Staates in keinster Weise hinterfragen möchte.
Als Voigts Antrag abgelehnt und die gerechte Beförderung des Schwagers Friedrich ebenfalls nicht stattfindet, kommt der Film zu seinem inhaltlichen Höhepunkt (siehe Video unten, drauf klicken). Voigt klagt das System offen an, die Vorgänge sind seiner Meinung nach "ein ganz sauberes, ausgewachsenes Unrecht". Er meint: "Es muss doch nen Platz geben, wo der Mensch leben kann". Das System ignoriert den Menschen, doch es ist ganz klar: "Erst der Mensch, Friedrich, und dann die Menschenordnung".

Die Logik ist uns auch heute noch bekannt: Ohne Aufenthaltsgenehmigung keine Wohnung, keine Arbeit, kein Konto, keine Lebenschancen. Der clevere Köpenick entwickelt aus der Not den Plan, sich das, was ihm verwehrt bleibt, selbst zu organisieren: einen Pass.
Der Zufall bewirkt, dass er an einem Trödlerstand mit einer Hauptmannsuniform vorbeiläuft. Er kauft sie sich, passt einige Wachsoldaten auf der Straße ab und kommandiert sie ab, ihm nach Köpenick zu folgen. Dort besetzt er das Rathaus, lässt den Bürgermeister abführen und entwendet - nachdem es kein Passamt dort gibt - die Stadtkasse.
Der Coup gelingt von vorne bis hinten. im Film stellt sich Voigt am Ende selbst - im Tausch gegen einen Pass.

Kritik

Zuerst kommt man in die Kaffekränzchen-Mentalität und den Berliner Dialekt schwer rein. Auch die ganze Gesellschaftsordnung ist befremdlich. Es gilt nur der etwas, der gedient hat und die Weisungen an Befehle löst von der Pflicht des eigenen Urteils. So ist das im Militär und Voigt macht sich das zunutze.
Der Film ist unter anderem deswegen sehenswert, weil er einen in eine fremde Welt entführt, die wiederum der preußischen Militarismus-Realität, vor allem in der Hauptstadt Berlin, sehr nahe zu sein scheint. Der barsche Umgangston überall, die Uniformen, der militärische Drill rund um die bellende Sprach der Befehle, Pickelhauben, das Exerzieren und Salutieren. Harte Männer und Frauen, die nichts zu sagen haben. Good old Kaiserreich.

Zieht man in Betracht, dass es sich um eine Satire handelt, so zeigt sich die Zeitlosigkeit des Themas. Ohnmacht des kleinen Mannes - egal ob Flüchtling, Häftling, Soldat, Lehrer, Richter, Politiker - gegenüber dem Staat und den Entscheidungen von oben. Daran hat sich nichts geändert. Gar nichts. Somit hat der Film bei aller Heiterkeit eine immens tragische Komponente.

Link zum ganzen Film 

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