Umterto Ecos großer Historienroman. Schwergewicht im Ring. Wunderbare Welt, wenn man sie sich vorstellt. Grausige Passagen. Viel Wissen, nicht alles unbedingt wissenswert. Deswegen: ein Musenbuch, wie Thomas Manns Bücher, ein Gelehrtenroman. Man spürt die Freude am Schreiben, die Eco hat.
Immer schon ist die
Literatur der Wissenschaft nachgegangen und umgekehrt. Sei es die
spekulative Imaginationskraft eines Jule Vernes, der Unterseeboote
und Montgolfieren für die Befriedigung der Neugierde seiner Leser
imaginierte, bevor die technische Wissenschaft sie tatsächlich auf die
Weltmeere und die Lüfte losließen, oder sei es die kalte Fusion in
dem Drehbuch „Chain Reaction“, die letzendlich doch nicht kalt
bleibt, sonder im Gegenteil ganz heiß läuft: Die Verknüpfungen
und wechselseitigen Bezugnahmen zwischen Literatur (Kunst im weiteren
Sinne) und Wissenschaft sind mannigfaltig. Die Bücher, die kanonisch
genannt werden, wenn es um die Verknüpfung von Wissenschaft und
Ethik sind, sind Dürrematts „Die Physiker“ (1961) und
Bertolt Brechts „Galileo Galilei“. Letzteres wiederum
schrieb Brecht nach den Zündungen der Wasserstoffbomben in Hiroshima
und Nagasaki (6. und 9. August 45) um, ebenso wie Dürrematts
Physiker explizit auf diesen Kontext und den Wahnsinn in der
und um die Wissenschaft deutlich machen.
Allerdings handelt es
sich bei den genannten Bezugnahmen explizit um technologische und
naturwissenschaftliche Wissenschaft, die behandelt wird.
Anders ist es bei Umberto
Eco. In seinem Bildungs- und Historienroman „der Name der Rose“
(warum der Titel? - Curiositas?) versetzt er sich und seine Leser
realistisch in das ausgehende Mittelalter. Genauer: In ein Kloster
(kein Minoritenkloster, sondern ein Benediktiner-Kloster). Dort
geschieht eine Reihe mysteriöser Morde, die die Forschungen Williams
anfordern und gleichwohl in ihren Bann ziehen. Im Laufe des Handlung
stellt sich heraus, dass sich alles um ein Werk des Aristoteles
handelte: der zweite Band der Poetica, eine Abhandlung über die
Komödie. Jorge, quasi ein Urgestein des Klosters, und ein
selbsternannter Hüter der rechten Ordnung (orthodoxa) verhindert auf
allen ihm möglichen Wegen, dass dieses Buch und die Spekulationen,
die darin stehen, aus den Mauern der Bibliothek herausgelangen. Er
geht soweit dafür zu morden.
Es zeigt sich in diesem
Buch der Urkonflikt zwischen Macht und Wissenschaft.
Curiositas ( eine
Todsünde ) trifft auf den konservativen Behüterwillen, auf
rigorosen Doktrinismus. Entwicklung und Fortschritt auf die
Bremskraft des Konservatismus.
William ist ein
aufklärerischer, von den Gesetzen der Logik und der Wissenschaft
geleiteter Mann. Dementsprechend gerät er auf in Kollisionskurs mit
Jorge oder mit dem Abt, der unter anderem fortschrittsfeindlich ist,
weil er fürchtet, die Macht, die die Kirche zum einen über ihren
Glaubensapparat und dessen Einschüchterungstechniken, zum andern
über das Wissen, das in ihren Bibliotheken gesammelt ist, zu
verlieren. Und so deutet sich bei Umberto Eco an, was im Galileo von
Brecht ausgeführt ist: Die Angst der Wissenschaft vor der Autorität.
Die Gefahr von ihr unterdrückt zu werden (Galieo Frühversion), oder
die Gefahr von ihr ausgenutzt zu werden (Oppenheimer, Physiker. Eco
lässt den Wissenschaftler, William, über Jorge triumphieren.
Allerdings geht er nur moralisch als Sieger aus dem Wettkampf der
beiden Prinzipien Fortschritt und Konservierung, bzw. Glaube und
Wissenschaft hervor. Und auch in Ecos Mittelalterroman heißt legt
William eine sehr pragmatische Position zu Tage, wenn er einmal sagt:
Die Wissenschaft
besteht nicht nur darin, zu wissen, was man tun muß oder kann,
sondern auch, was man tun könnte, aber lieber nicht tun sollte.
Dies ist das
Spannungsfeld, in dem sich der Wissenschaftler bewegt.
Kein Wunder also, dass die Gegenposition des doch einfältigeren und demütigeren Erzählers Adsons in dem Roman wie Balsam auf die Seele wirkt:
O quam salubre, quam iudicundum, quam suave est sedere in solitudine et tacere et loqui cum deo.(Sinngemäß: "Oh welch Labsal, welch Freude und wie süß ist es, zu schweigen und in Einsamkeit zu sitzen und zu schweigen und zu sprechen mit Gott")
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