Montag, 23. Januar 2012

Constant Montald (1862-1944) - symbolischer Jugendstil vom Feinsten

Montald _ la fontaine de l'inspiration


Nein, ich kannte ihn vorher auch nicht. Über einen der schillerndsten belgischen Jugendstilkünstler  gibt noch nicht einmal einen Eintrag in der deutschsprachigenWikipedia-Enzyklopädie. Am Rande wird er in einem Artikel mal erwähnt, weil er der Leiter der Ecole des Beaux Arts  in Brüssel war. Wenn man das Musée des Beaux Arts allerdings einmal betreten hat, wird man sich diesen Namen einprägen - oder zumindest seine Bilder. La Fontaine de l'Inspiration und La Barque de l'Idéal: diese beiden Bilder schmücken die Wände der Empfangshalle des belgischen Kulturspeichers. Letzterem widmete ich meine Aufmerksamkeit.

montald _ la barque de l'idéal (1907)
Ich saß vor einem immens hohen, goldumrahmten Jugendstilbild. So viel Öl, wie benutzt wurde, ist es wohl angebrachter von einem Gemälde zu sprechen. Constant Montald: La Barque de l'Idéal, 1907. Ich war stehengeblieben, weil ich vom Herausquellen der weißen Blüten, wasserfallartiggleich, und im Gegensatz zur stillen Regungslosigkeit der Figuren vor dem Blütenrausch, in den Bann gezogen wurde. Was ist also zu sehen? 
Fünf Personen. Drei bekleidet, zwei nackt. Drei Frauen in hängenden Gewändern und zwei nackte Jünglinge.  Einer von ihnen hält eine kleine Holzfigur in der Hand, vielleicht eine Venusabbildung,  vielleicht auch eine Maria, während beide von einer Art silbrigem Mondlicht bedeckt werden. Dem Bild haftet etwas Zeremonienhaftes an Die abgebildeten Figuren interessieren sich nicht für den Zuschauer, sie wirken ganz und gar in ihrem Handeln versunken. 

Im Bildhintergrund rechts hinten deutet sich ein Weg an. Unmittelbar wird klar: Die drei Frauen sind gerade von dort angekommen. Um den Mondgezeichneten etwas zu zeigen oder zu übergeben? Das Kunstwerk im Holzrahmen, das die eine der Frauen trägt, oder die kleine zusammengezogene Holzskulptur, die einen gebückten zusammengezogenen Mann darstellt. Und vielleicht ist es ja auch das Werk der dritten Figur, die einer der beiden Mondbeschienenen in Händen hält, prüfend. Und auch prüfend und beratend der Ausdruck des Zweiten.
Die Farbgebung spricht dafür. Schließlich sind die Farben der mitgebrachten Kunstobjekte und  die Farbe der Gewänder der Frauen gleich - eine Zusammengehörigkeit von Kunstwerk und Überbringer scheint also in die Farbsprache hineingelegt worden zu sein. Auch die Bäume haben dieselbe symbolische schwere Goldbraunfarbe. Vielleicht ist auch das ein Mittel, um die Gruppen voneinander abzugrenzen: die Herantragenden werden eins mit dem Hintergrund und sind nur halb in die sich vollziehende Handlung  - das Prüfen der Holzskulptur - aufgenommen. Auch findet ja eine Abgrenzung der Figuren durch die Bildanordnung statt, weil ein Aufsteigen der Figuren zu beobachten ist.

Hätte ich den Titel des Bildes nicht gewusst, würde ich es "Von Orchideenblättern ud Männern" nennen. Kennt man das Bild aber, so lässt es sich als symbolistisches Jugendstilbild interpretieren. 
Montald _ Paysage symboliste (1904)
Die Farbgestaltung ist jugendstiltypisch: Gold und Silber und viele Tupfer in einer verschwungenen Ornamentik, bei der der Hintergrund in seinem Ornamentcharakter nicht mehr eindeutig als Hintergrund zu identifizieren ist. Symbolistisch das ganze Bild. Vermutlich handelt es sich um eine symbolische Visualisierung des Kunstschaffen-Prozesses: Die gewissenhafte Selbstprüfung des Künstlers mit seinem Kunstwerk, ob es auch tatsächlich gut genug ist, wird an einen utopischen Nichtraum verlegt - die prüfenden Stimmen des Gewissens sind als nackte,  gottgleiche Jünglinge interpretiert, gewissermaßen Hermesse aus dem Reich der Ideen, herabgestiegen an einen Zwischenort, um das Geschaffene vermittelnd zu betrachten. (to be continued)

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