Sonntag, 19. Februar 2012

Dubstep - oder "Krieg auf der Tanzfläche" - unleash the beast. 

Ab und an höre ich mich hinein  in die Welt der Tiefenbässe. Upbass-Music, Wonky, Grime, Dubstep,  usw. Musik, die rhythmusdominiert ist und in der Low Frequency Oscilatoren, kurz LFOs, die Bässe in den Tiefregionen zum Wabbern bringen während gleichzeitig schrille Synthiesirenen die Ohren als Fenster zur Welt beinahe zum Zerbersten bringen.
Ich habe für mich entschieden, dass Dubstep keine Musik ist, keine Musik im klassischen Sinne von Melodie und Melodieführung. "Stimmt ja auch!", der Kommentar eines Freundes dazu, "DubStep - das sind Dinosaurier, die mit Laserkanonen rumrennen." Da ist viel Wahres dran.
Man kann sich also damit arrangieren: Dinosaurier mit Laserkanonen an denen das berühmt-berüchtigte Postmodernitätslabel Musik 2.0 hängt. Es ist etwas Anderes, eine moderne Unterhaltungsdroge, ein Ausschalten aller Emotionen und Gedanken, ein gemeinsames Abfeiern und das dafür notwendige Gleichwerden. Ein Rausch, ein Gewummer, eine Gedröhne, ein Gehetze. 
Auf einer Party in dem Würzburger Kamikatze-Club - eigentlich ein eher schmuddeliger Schuppen, erlebte ich, was es ursprünglich heißt, von Basssalven befeuert zu werden. Spannend, wirklich spannend, was produktive Musikkreateure ausklügeln, um die Tanzfläche unter Beschuss zu nehmen.
Ein klassischer Dub-Step Track baute eine Pause auf. Das ist normal, Spannung - Entspannung, Aufladen - Entladen, Pause - Weiterfließen - das sind musikalische Urprinzipien, die wahrscheinlich auch schon in der Antike vorherrschten. Das Spannende an Dub-Step ist die dieser Musik so spezifische Form des "Drop-Ins" - des Einsetzens der Drumms und der Bässe nach einer teilweise schier unendlichen Aufbauphase oder einer in der Songstruktur angelegten Pause - meistens auch noch synkopisch. 
Und der Drop-In nach meiner Pause hatte es in sich. Ganz unerwartet kamen sechs harte Basssalven, die so angelegt waren, dass sie im Surround durch das Raumpanorama feuerten. Von links nach rechts, jede Salve mit einer ungeheuren und erbarmungslosen Wucht. Kreuzbeschuss durch puren Bass. Nach den sechs Salven kamen dann noch die Dub-Step-typischen angeglitchten "Chainsaw"-Synthesizer dazu und als  Resultat davon rastete die ganze Tanzfläche völlig aus. Auf Wikipedia heißt es, dass der bekannte Dubstep-Pionier Kode9 auf die Frage, was Dubstep auszeichnet, mit „Bass and space“ antwortete. Damit würde er oft zitiert. Space beziehe sich hier vor allem auf das Arrangement und den extremen Minimalismus.
Soviel zur Technik, aber wie ist es mit der Wirkung? Vielleicht ist es gerade das Erbarmungslose, das ein paar meiner Bekannten und Freunde und auch mich so anzieht. Vielleicht sucht man es sogar als moderner, verlorener Mensch in einer gewaltlosen und gleichzeitig gewaltüberfluteten Gesellschaft (Kriegsszenarien sind ja durch die Medien auch in unserem westlichen, ultrasicheren Kollektivbewusstsein omnipräsent) die Präsenz von Gewalt in Form von reiner Energie. 
Und in der Musik offenbart sich ein kulturelles Gewaltszenario. Die dem (männlichen) Menschen innewohnenden Aggressionen können sich positiv auf der Tanzfläche entladen. Dubstep und Drum'n'Bass: Krieg auf der Tanzfläche in einer krieglosen Zeit.
Fernab von dieser tiefenpsychologischen Spekulation kann man sich aber natürlich auch einfach amüsieren, angetrieben von der puren und rauen Energie der Bässe und Rhythmen, und fasziniert sein von dem Können der Produzenten hinsichtlich Raumarrangement und Klangdesign.


Nachtrag 2015: Noisia - bekannte Niederländer Produzenten haben vor einiger Zeit dieses Video herausgebracht, das die These, dass ihre Musik dem Aufbauen und Zerstören von Welten gleichkommt, herausgebracht: Zuerst wird eine Welt aufgebaut, dann bricht ein blutiger Krieg zwischen Händen aus ( https://www.youtube.com/watch?v=SAO-lzl3vVQ ).

Hier ein paar Tipps, um die genannten musikalischen Prinzipien mit Beispiel zu unterlegen: 
Und hier wirklich ein "klassischer" Dubstep-Track: schrill, ryhtmisch, phat und fetzig.

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