Sonntag, 2. Dezember 2012

"Kein Auskommen mit dem Einkommen" - Laienschauspielgruppe der Dompfarrei Würzburg



Herzhaftes und herzliches burleskes Lachtheater für alle Generationen

Es ist ein starkes Stück: Karten können nicht reserviert werden, wer da ist, ist da und bekommt einen Platz. Es gibt auch keinen Vorverkauf, weil der Eintritt umsonst ist. Um Spende wird gebeten, um die Unkosten zu decken. Was darüber hinausgeht wird gespendet für einen wohltätigen Zweck.


Corry Gerlicher meint dazu: Es ist eine super Sache, das Theater hier: wir tun was für uns, indem wir spielen, wir tun was für das Publikum, indem wir es unterhalten und ein paar Stunden aus dem Traumel der Realität herausziehen und wir tun etwas für die Gesellschaft, indem wir etwas spenden. Mit all dem wäre Brecht zufrieden, alleine die Reproduktion gesellschaftlicher Codes, das Einlullen des Publikums in eine herzhafte Komödie ohne großen aufklärerischen Pathos oder auch nur das geringste Anzeichen eines Verfremdungseffekts, das hätte ihn natürlich maßlos geärgert. Und als großer Brechtfan und Kenner, ärgerte das mein Brechtauge natürlich auch. Aber angesichts soviel netter Herzlichkeit und Hilfsbereitschaft innerhalb der Gruppe und durch das Projekt an sich, dass sich doch besonders an die älteren Generationen richtet, kann man dieses Brechtauge auch ein wenig zudrücken und einen wirklich schönen Theaterabend genießen. So berichtete Corry auch, das manche Gäste öfters kommen: Diejenigen, die altersbedingt nicht mehr soviel aufnehmen können, würden das Stück gewissermaßen auf zweimal ankucken. Wenn sie den ersten Akt schon kennen, können sie sich auf den zweiten Akt konzetrieren, wenn sie wiederkommen.

Was bleibt dann übrig? Weiterhin ein starkes Stück und vieles zum Lachen, das bekanntlich nach einem chinesischen Sprichwort pro verlachten zehn Minuten das Leben um einen Tag verlängert. 

Zum Inhalt: Das schrullige Rentnerpäarchen "Vadder" und "Mudder" lebt von einer kärglichen Rente in der Zeit des Wirtschaftswunders. Um sich das Einkommen etwas aufzupolieren und weil die Ehe kinderlos verblieb, beschließen die beiden, ein leeres Zimmer in der Wohnung unterzuvermieten. Darüber sind sie sich einig. Doch ob es eine junge Dame werden solle, ganz nach dem Geschmack des Vadders, oder ein junger Herr, wie es die Mudder bevorzugen würde, darin liegt zu Beginn des Stücks der Hase im Pfeffer begraben. Durch einen (un?)glücklichen Zufall ergibt es sich, dass beide das Zimmer gleichzeitig untervermieten: Die Mudder an den Sohn eines großen Fruchtverkaufunternehmens, der aus Protest der Neuheirat seines Vaters eigene Wege bestreiten möchte. Der Vadder dagegen vermietet das Zimmer an eine hübsche junge Sekretärin, die ganz nach seinem Geschmack ist. Zwei Personen in einem Zimmer  - wie kann das gut gehen? Nun Anfangs geht das gut, weil der junge Mann Fernfahrer ist. Er fährt nachts und schläft tagsüber und am Wochenende ist er zuhause. Die junge Dame dagegen arbeitet tagsüber und fährt am Wochenende zu Freunden aufs Land. Also - so der Plan: Wenn die Dame morgens das Haus verlässt, wechselt das Rentnerpäarchen schnell die Bettdecke von rosa zu blau, es gibt zwei Schränke mit eigenen Schlüsseln in dem Zimmer und schließlich wird noch einmal gut durchgelüftet und dann kann der neue Bewohner auch kommen. Das das nicht auf Dauer gut gehen kann ist von Anfang an vorprogrammiert. 
So findet die Dame zum Beispiel nach einiger Zeit einen Manschettenknopf in ihrem Bett, der junge Herr dagegen beklagt sich über einen sehr straken Parfümgeruch. Außerdem tauchen im Laufe des Stückes noch alle Personen in der Wohnung auf, die dort gar nicht auftauchen sollten: die eifersüchtige Frau des Chefs der Sekretärin, der Vater und dessen neue Frau und die Mutter der jungen Dame. Und das natürlich nur "bedingt" hintereinander. Menschen, die sich gerade NICHT sehen und kennenlernen sollten, tummeln sich auf einmal fröhlich und neugierig in der Wohnung. Notlügen werden aus der Nase improvisiert, wobei hier das Spieltalent und der Humor die fehlende Glaubwürdigkeit gutmütig kaschiert. Wie lange die Beine dieser Lügen ist natürlich klar: Bis sich am Ende des Stücks alle Charaktäre auf der Bühne befinden, das Notlügenkonstrukt zusammenbricht, er sie heiratet, der verlorene Sohn zurückkehrt und alle glücklich sind. Dabei weiß der Zuschauer immer mehr, als die Figuren auf der Bühne. Dieses dramatische Wissensgefälle wird in diesem Fall komödienhaft aufgelöst und man wird zum Lachen animiert, nicht zum "Zittern und Schaudern" wie in der griechischen Tragödie, die von der Machart die gleichen Elemente benutzt. Garniert wird das ganze noch mit viel Wortwitz, Wortspielen und zeittypischen Redewendungen, die dem Stück noch einen ganz eigenen muffig-antiquierten, ultrasympathischen Charakter verleihen. 


Die Figuren sind holzschnittartig. Natürlich gibt es die ein oder andere kleine Veränderung: die jungen Generatione, gerade die Männer, müssen in dem Stück z.B. noch viel über die Liebe lernen. So wird gerade soviel gelernt, dass die freudige Schlussauflösung mit Hchzeitsglockengeläute und "Ende gut, alles gut" realisiert werden kann. Auch kann man ein kleines Machtübergewicht der Frauen, der heimlichen Herrscher in diesem noch ausgesprochenen christlich katholischen Patriarchat, kaum übersehen. 
Besonders gut gefallen hat mir der August (Vadder). So naiv und gutherzig er reagiert, so liebdumm, wie er manchmal reagiert, so sehr muss man ihn auch liebgewinnen. Grandios geschauspielert. 
Auch die Mutter überzeugte sehr mit einer sympathischen Bühnenpräsenz. 

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