Sonntag, 26. Dezember 2021

Guus Kuijer - „Wir alle für immer zusammen" (2002), 89 Seiten: Brutal gut.



Es gibt immer eine Luft
für meine Schlösser
und es gibt immer auch ein Plätzchen

für Polleke, mein Schätzchen. (S.26)


Stopp.


„Polleke", sagte Spiek, „kommst du mit mir mit ans Ende
der Welt?"
Das Ende der Welt. Ich sah mich neben Spiek hergehen.
Mein Kälbchen Polleke hatte ich an einem Band. Wir stie-
gen über einen hohen Berg. Da lag Schnee, aber es gab auch
Blumen. Menschen in seltsamen Kleidern winkten uns zu.
Der Himmel war blau und wir sangen den ganzen Tag. Es
war so etwas wie ein Traum.
Ich wachte auf und sah Spiek an. Du bist lieb, Papa, dach-
te ich, aber du musst allein ans Ende der Welt.
„Nein, Spiek", sagte ich. „Ich bleibe bei Mama."
„Du willst doch Dichterin werden, oder?", sagte er.
»Ja", sagte ich.
»Ich komm mit tausend Gedichten zurück", sagte er.
Ich glaubte ihm, aber nicht mehr ganz so wie früher.
»Ich werd immer mehr haben als du", sagte ich.
»Wieso?", fragte er.
» Weil ich schon angefangen hab, Papa, und du nicht."

Ich küsste ihn und ging nach Hause. (S.56)




Was für ein Buch! Im Kern geht es in dem nur 89 Seiten umfangenen Buch des Niederländischen Autors Guus Kuijer


um Polleke und deren Vater Spiek. Spiek ist Dichter, sagt er und Polleke glaubt es. In Wahrheit ist er Träumer und bekommt leider nichts gebacken. Und das versteht die Elfjährige Polleke auch, Schritt für Schritt. Am Ende gibt sie ihm sogar den Laufpass und wendet sich den Menschen zu, die sie hegen und pflegen. 

Guus Kujier erzählt die Geschichte eines Mädchens aus einer geschiedenen Familie in einer multikulturellen Klasse. Sie ist verliebt in einen Muslimen, ihr Lehrer verliebt sich in ihre sehr temperamentvolle Mutter, ihr Vater hat wirklich gravierende Existenzprobleme (Drogen und Fuß fassen im Arbeitsleben), ihre Großeltern väterlicherseits sind für sie da. Sie denkt über alles nach: Über ihre Mutter, den Lehrer, die Liebe, Gott, die Umwelt und Verantwortung. Für mich besonders interessant, da es in dem Buch auch viel um eine Kuh geht, die Polleke zur Obhut von ihrem Opa geschenkt bekommt. 

Das Buch ist knallhart, poetisch, komisch und bedeutungsvoll vom Inhalt. 

Es ist aber auch unterhaltsam geschrieben, indem in einer Art Montagetechnik z.B. immer wieder kleine Gedichte Pollekes, Zettelchen der Schüler untereinander, Brief und dergleichen Abwechslung in die ansonsten aus der Ich-Perspektive erzählte Geschichte bringen. 

Fazit: Ein wirklich außergewöhnliches Buch, das ich jedem ans Herz legen wollen würde. Obwohl...oder gerade weil es kein Kuschelkinderromantik-Wohlfühl-Weichspüler-Buch ist. "Erwachsene müssen auf sich selbst aufpassen" (S.68)

 

 

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